Normalerweise zählt Sportkleidung nicht gerade zu meinem Alltagsrepertoire, von Athleisure habe ich mich stets erfolgreich ferngehalten und auch meine Turnschuhe ziehe ich bloß während des Sports an. Dass ausgerechnet Rugby Shirts mein Herz höherschlagen lassen würden, hätte ich zunächst ja auch nicht gedacht, mittlerweile aber halte ich sie für die wohl beste (sportive) Adaption in der Mode.
Fanschals, Fußballtrikots, Skianzüge — zuweilen lassen sich Modehäuser und Designer*innen von den Sportplätzen dieser Welt inspirieren, schicken ihre Mannequins in glitzernden Basketballtrikots (Monse SS18) oder Trainingsanzügen im Retrostil (Gucci SS18) über den Laufsteg oder integrieren sie gleich in ihre gesamte modische DNA. So ist das amerikanische Label Martine Rose schon längst für seine Fußballtrikots bekannt und auch die britische Designerin Grace Wales Bonner lancierte Ende vergangenen Jahres eine gemeinsame Kollektion mit Adidas. Die vielleicht schönsten Ausführungen, die bisher von Brands hervorgebracht wurden, sind jedoch schon längst im Alltag angekommen, fast so, als hätte es sie schon immer fernab des Rasens gegeben: Rugby Shirts sind gleichermaßen unaufgeregt als auch unverschämt bequem, versprühen dabei eine entspannte Ästhetik, die an den Grunge der 90er Jahre erinnert und sich dank ihrer Vielfältigkeit auch heute noch in den modernen Zeitgeist übersetzen lassen. Den Grund für ihre Beliebtheit fand Emily Farra, Autorin bei Vogue US, nicht zuletzt in unserem Verlangen nach Nostalgie: Rugby Shirts zählten dank J.Crew bereits Mitte der 80er Jahre zur Grundausstattung und lieferten einen wesentlichen Gegenentwurf zum flamboyanten Stil des Studio 54.
Wer sich jedoch beim bloßen Anblick an klassische Polohemden erinnert fühlt, liegt durchaus nicht ganz falsch. Tatsächlich nämlich gilt das Rugby Shirt als eine Unterkategorie des Polohemds, kommt dabei jedoch oftmals weniger adrett daher, was nicht zuletzt an den meist weiteren Schnitten liegen mag. Zudem zeichnen sie sich insbesondere durch einen besonders dicken Stoff (auf dem Feld mussten sie vor allem reißfest sein) sowie einen dickeren Kragen aus. Klassische Rugby Shirts besaßen aufgrund der Verletzungsgefahr zunächst zwar keine Knöpfe, in der Mode selbst sind jedoch längst beide Varianten zu finden. Eines der Hauptmerkmale: breite, horizontale Streifen in jeglichen Farbkombinationen, die eine (Team-) Zugehörigkeit suggerieren.
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Auf den Laufstegen
Während J.Crew und Ralph Lauren schon lange für ihre verschiedenen Ausführungen des Rugby Shirts bekannt sind, fand das Sportoberteil seinen Weg mit der Zeit auch auf den Laufsteg: Zunächst zählte es lediglich in der Männermode − etwa bei Sunnei, Gucci und Prada − zum festen Repertoire, mittlerweile erscheint es jedoch auch in diversen Womenswear-Kollektionen: So präsentierte Marc Jacobs während der New Yorker Modewoche im September 2016 ein grün-orange gestreiftes, weit geschnittenes Rugby Shirt inklusive leuchtend weißem Kragen und griff dabei die wohl typischsten Elemente des ursprünglichen Kleidungsstücks auf. Gleich mehrere Designs gab es einige Jahre später während der Pre Fall sowie Fall / Winter 2019 Schauen zu sehen: Sowohl Koché als auch Burberry näherten sich dem Trikot in Form von knielangen Midi-Kleidern, setzten jedoch ebenfalls auf das unverkennbare Streifenmuster. Ein wenig mehr Länge fügte Jonathan Anderson vergangene Saison unter Loewe hinzu, die leicht ausgestellten Maxi-Kleider schafften es zwar nicht auf den Laufsteg, dafür jedoch unmittelbar in den Verkauf. Eine der vielleicht schönsten Varianten sah man im Herbst 2019 wohl bei Lacoste: Das Label, das einst insbesondere für seine Tennis-Kleidung bekannt wurde, zeigte im Rahmen seiner Spring Summer 2020 Kollektion ein bunt gemustertes, weit geschnittenes Design und kombinierte es kurzum zum hellbraunen Lederkleid sowie flachen Loafers: Spätestens jetzt war das das Rugby Shirt im Alltag angekommen. Und auch in einer diesjährigen Frühjahrskollektion fand der sportive Stil wieder einen Platz: So verpasste Ganni seiner eigenen Interpretation aus Strick glitzernde Knöpfe in Blumenform und brachte das Rugby Shirt zumindest in den sozialen Medien in die breitere Masse.
(Bilder: Vogue Runway. v.l.n.r.: Marc Jacobs, Koché, Prada, Lacoste)
Auf den Straßen
So fanden sich im Laufe der Zeit natürlich auch fernab der Laufstege sämtliche Variationen, die von Pullovern im Rugby-Stil und langen Hemdkleidern bis hin zum klassischen Trikot reichen. Die vielleicht prominentesten Träger*innen: David Hockney, Mick Jagger, Nelson Mandela und Prinzessin Diana. Heute sind die Shirts dank Ganni, Acne Studios und Kule — der neueste Mode-Liebling auf Instagram — mittlerweile regelmäßig auf den Straßen und somit auch in den sozialen Medien zu sehen. Mal leuchten sie in bunten Regenbogenfarben, mal sind sie von Glitzerknöpfen verziert oder weichen bloß minimal vom traditionellen Sport-Shirt ab. Getragen werden sie zur Jeans, über den Rock oder gleich als Kleid und präsentieren sich selbst zur Blümchentasche als eine Art Gegenentwurf zu verspielteren Designs, die zuletzt vorwiegend zu sehen waren.
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In meinem Kleiderschrank
Ich selbst brauchte zwei Jahre, bis ich mein erstes Exemplar besaß: Verlor ich mein Herz zuvor an jenes wunderschöne orange-grüne Modell von Marc Jacobs, das leider selbst in meinen Augen zu weit geschnitten war und deshalb trotz des unschlagbaren Outlet-Preises nicht infrage kam, wurde ich vergangenes Jahr schließlich doch noch fündig: Ein schwerer, dicker Stoff in Blau und Schwarz machte das schöne Stück aus der Herrenabteilung zuletzt selbst bei kalten Temperaturen zu einem meiner liebsten Oberteile, ganz gleich, ob zur Jeans oder zum karierten Rock. Ja, ich würde sogar behaupten, das Rugby Shirt sei mein liebstes sportives Design, das die Modewelt in den vergangenen Jahren neu interpretiert und somit vielleicht sogar alltagstauglich gemacht hat − ein wenig mehr Entspannung tut zuweilen eben auch in Sachen Mode gut.
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Für alle, die nun selbst auf den Geschmack gekommen sind, habe ich eine Auswahl meiner derzeitigen Favoriten versammelt (ein kleiner Tipp: die besten Modelle findet man meist in der Männerabteilung):