Kolumne: Zwischen Homeoffice und Café-Sehnsucht

08.02.2021 Leben, box3, Kolumne

Als Deutschland im Frühjahr 2020 coronabedingt in den ersten Lockdown ging, fühlte ich mich gut vorbereitet. Familienmitgliedern, Freund*innen und Bekannten erzählte ich, dass ich es ja gewohnt sei, von zu Hause aus zu arbeiten. Auf mich wartete also keine große Umstellung, nichts würde sich ändern. Alles ganz lässig, zumal ich alleine wohne und keine Kinder habe, um die herum ich meine Arbeit organisieren muss. 

Das Café als Büro

Wochenlang arbeitete ich wie gewohnt vor mich hin. Wochenlang fühlte sich – was das Arbeiten von zu Hause aus anging – alles an wie immer. Bis ich eines Tages am Schreibtisch saß und mich nicht mehr konzentrieren konnte. Wahllos öffnete ich Dokumente, Tabs, begann, eine Mail zu schreiben, nur um dann doch mal kurz auf diversen Nachrichtenseiten vorbeizuschauen, bevor ich beschloss, eine To-Do-Liste zu machen, die ich dann doch zwecks Recherchen für einen Artikel liegen ließ. Zwei Stunden später hatte ich zwar ungefähr zehn Dinge angefangen, aber nichts davon zu Ende gebracht. Frustriert starrte ich auf meinen Laptop und überlegte, was genau meine Verwandlung in diese mir völlig fremde chaotische und unkonzentrierte Frau bewirkt hatte. Des Rätsels Lösung war denkbar einfach: Mir fiel in meiner Wohnung die Decke auf den Kopf.

Nun ist meine Wohnung generell nicht besonders groß, was schon in normalen Zeiten dafür sorgt, dass mich regelmäßig das Gefühl überkommt: Ich muss raus! Der Unterschied ist: In normalen Zeiten packe ich meine Bücher und den Laptop ein und verziehe mich in mein Stamm-Café um die Ecke, wo ich ein paar Stunden arbeiten kann. Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie hätte ich von mir selbst immer behauptet, dass es mir gar nichts ausmacht, von zu Hause aus zu arbeiten. Dass ich nichts brauche außer meinem Schreibtisch und meinem Laptop. Doch in den letzten Monaten musste ich feststellen: Das stimmt nicht. Ich brauche auch die Möglichkeit, ab und an zum Arbeiten woanders hinzugehen. Das Café um die Ecke, stelle ich fest, ist unterbewusst und unbemerkt zu einem Teil meines Büros geworden – und es fehlt mir wahnsinnig.

 
 
 
 
 
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Ein Beitrag geteilt von THIS IS JANE WAYNE (@thisisjanewayne)

[typedjs]Ich sehne mich an einem Tisch, der nicht der meine ist, nach Tee oder Espresso, den ich nicht selbst gekocht habe.[/typedjs]

Wohlige Nicht-Stille

Ich sehne mich an einem Tisch, der nicht der meine ist, nach Tee oder Espresso, den ich nicht selbst gekocht habe. Ich sehne mich danach, von Menschen umgeben zu sein und doch alleine. Ich sehne mich nach einer Geräuschkulisse, wie sie nur Cafés hervorbringen können – ein wohliger Klangteppich aus dem Klappern des Geschirrs, dem Fauchen der Kaffeemaschine, dem Rascheln der Zeitung und den Gesprächen der anderen Gäste. Zum Arbeiten brauche ich normalerweise Ruhe, ich kann keine Musik hören und auch kein Radio, weil es mich zu sehr ablenkt. Im Café ist es nicht still, aber es ist eine Nicht-Stille, in der ich hervorragend arbeiten kann. Weil sie sich wohlig anfühlt, vertraut und warm.

Ins Café gehe ich, wenn ich ein Buch lesen muss – für einen Artikel, zur Recherche – und ich mich konzentrieren muss. Oder auch, wenn ich einen ersten Entwurf eines Textes, Kapitels, was auch immer fertig habe, und vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehe. Oder, wenn ich schreiben muss, aber zu Hause, an meinem Schreibtisch, nicht weiter komme. Vor allem aber: Wenn ich den Kopf freibekommen und eine Abwechslung zu meinen eigenen vier Wänden brauche. Wie oft schon wollte ich meine Arbeit für den Tag beenden, obwohl ich noch einiges erledigen musste, einfach deshalb, weil ich müde und unmotiviert war. Und wie oft habe ich mich aufgerafft, mich ins Café geschleppt und dort noch ein, zwei Stunden gearbeitet. Zu Hause lockt nur das Sofa, im Café hingegen die für mich perfekte Arbeitsatmosphäre. Sobald ich das Café betrete, überkommt mich eine innere Ruhe, etwas in meinem Kopf rastet ein, und ich nehme Platz.

Traurig wandere ich nun an den geschlossenen Cafés in meinem Kiez vorbei und frage mich, wann sie alle wieder aufmachen dürfen. Und welche von ihnen dann überhaupt noch aufmachen werden. Manchmal habe ich das Gefühl, mein Schreibtisch guckt mich klagend an – vielleicht weil er weiß, dass er eine Konkurrentin hat, deren größter Vorteil darin besteht, nicht Teil meiner Wohnung zu sein. Ach Schreibtisch, denke ich dann, du weißt doch, dass ohne dich gar nichts geht. Und wenn ich endlich wieder ein Café besuchen und dort mein temporäres Büro aufbauen kann, kehre ich danach entspannt und ein bisschen glücklicher zu dir zurück, lieber Schreibtisch. Wenn, wenn.

8 Kommentare

  1. Fine

    Oh liebe Julia, danke für diesen schönen Text am Montag Morgen. Auch ich sitze alleine in meiner Wohnung und versuche den Schreibtisch, den ich eigentlich so gerne mag, der eigentlich immer ein Ruheort war, nicht allzu sehr zu verteufeln. Aber die Aussicht hier die nächste Woche- ach was sage ich, die nächsten Wochen (Monate?) tag ein, tag aus zu verbringen, die kann mich manchmal auch ermüden.

    Was ich jetzt manchmal mit einer Freundin mache, der es genauso geht (und die sowieso meine eine Kontaktperson ist): Co-working, entweder bei ihr oder bei mir. Dann gibt es auch mal wieder fremde vier Wände & fremden Kaffee. Das ist natürlich ein unheimliches Privileg, aber das Gefühl am späten Nachmittag mit dem Rad nach Hause zu radeln und mich auf meine Wohnung zu freuen ist unbezahlbar. Auch wenn ich natürlich jede*n verstehe, der*dem das Corona-technisch nicht in die Situation passt.

    Deine Beschreibung des Cafés hat mich noch mal dran erinnert, was ich an Städten so liebe und warum ich einfach nicht längeren Landleben träume. Merci < 3

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  2. Nik

    Als Freelancerin kenne ich das Gefühl auch sehr gut. Bei mir hat die Sehnsucht in den letzten Wochen wirklich wunderliche Blüten getragen: ich höre bei der Arbeit auf Youtube Videos mit Café-, bzw. Bibliotheken-Atmosphäre. 4 Stunden klappernde Tastaturen, Räuspern und Kaffeetassen-Geklimper. Traurig, aber irgendwie hilft es ein bisschen. Und mein Youtube-Algorithmus ist angenehm verwirrt:)

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  3. Miriam

    Ich bin SW-Entwicklerin und teile mir eine Miniwohnung mit meinem Freund.
    Am Anfang fand ich Home Office noch faszinierend, aber schnell sehr anstrengend.
    Mein Freund muss viel telefonieren, daher müssen wir uns auf Wohnzimmer und Schlafzimmer verteilen.
    Beides nicht besonders groß und manchmal vollgestellt mit Wäscheständern 😉
    Ich fand es auch mühsam jeden Tag meine Versuchsaufbauten wegzuräumen und sicher zu verstauen (damit der Esstisch frei ist).
    Jedenfalls hab ich das Privileg mittlerweile wieder viel im Office Office sein zu können.
    Dort ist wenn`s hoch kommt ein einziger weiterer Kollege in einem anderen Raum.
    Im Gebäude lauf ich eh nur mit FFP2 Schutz herum.
    Ich vermisse Cafes und Restaurants auch, einfach auch das Gefühl sich dort bisschen verwöhnen zu lassen *seufz*

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  4. Kerstin

    Ja, genauso geht es mir auch. Und ich weiß nicht, ob mein Lieblingscafé überleben wird Der YouTube-Tipp mit den Hintergrundgeräuschen ist super. LG aus Karlsruhe, Kerstin

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