Unbequeme Wahrheiten: Wie steht es um deinen Nazihintergrund?

23.02.2021 Leben, Gesellschaft

Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah haben ein Gespräch ins Rollen gebracht. Es ist unsere Pflicht, es weiterzuführen.

 
 
 
 
 
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Vor bald zwei Wochen nahmen sich die Künstlerin Moshtari Hilal und der Essayist Sinthujan Varatharajah die Zeit für eine Analyse, die schon lange überfällig war. Sie bezieht sich unter anderem auf She Said, die Buchhandlung von Emilia von Senger und kritisiert vor allem die mangelnde Transparenz, mit der in Deutschland mit Nazi-Kontinuitäten umgangen wird.

Im Anschluss gab sich eine TAZ-Redakteurin irritiert über die Argumentation. Nach dem Motto „es gäbe Wichtigeres zu tun“, solle man sich lieber richtigen Nazis wie Beatrix von Storch und Co. widmen. Unter dem Statement von Emilias Stellungnahme brannte derweil mehrere Tage die Kommentarspalte. Was vergessen wurde: Von Senger und so viele andere, ihr Geld und ihr Schweigen sind am Ende viele einzelne Symptome einer gescheiterten Erinnerungskultur, die weder in der Lage war, Traumata zu bearbeiten, noch Machthierarchien zu lokalisieren oder Kontinuitäten sichtbar zu machen.

Die Kritik in Vortragsform von Hilal und Varatharajah hat offengelegt, wozu Menschen mit deutschen Vorfahren, mit sogenanntem Nazihintergrund, in der Vergangenheit nicht in der Lage waren und war gleichzeitig beispielhaft dafür, welche Personen die Arbeit machen, wenn es um Analyse und Kritik an einer rassistischen Gesellschaftsstruktur geht. Auch wenn die Kontinuität verschiedener Kapitalformen kritisiert wurde, lässt sich die Analyse auch auf die unter uns übertragen, die ohne großes Erbe oder Siegelring durch die Welt wandern. Die wenigsten sind zur Auseinandersetzung oder zur Verantwortung, die das Erbe ihrer Familien mit sich bringt, gezwungen. Weil niemand fragt. Und weil niemand gelernt hat, danach zu fragen.

 
 
 
 
 
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Der Fall She Said hat aufgezeigt, wie beängstigend es sein kann, wenn Menschen Transparenz und Rechenschaft einfordern, wenn du dir selbst keine direkte Schuld zuweisen kannst. Auch wenn die wenigsten auf ein mehrstelliges Erbe zurückschauen oder einen Platz im öffentlichen Raum einnehmen, so ist es ein Leichtes herauszufinden, ob monetäre Kontinuitäten der Familiengeschichte bis ins Jetzt fortbestehen konnten. Diese Auseinandersetzung geht über schlichte Privilegien hinaus. Sie meint mehr als Eingeständnisse und Schuldgefühle. Sie meint Verantwortung einer jeden Person, die versäumt hat, mit ihren Großeltern noch rechtzeitig ein Gespräch zu führen und die richtigen Fragen zu stellen. Gespräche über Schuld und Sühne und vielleicht ein bisschen Hoffnung. Weil man meinen könnte, dass es die familiären Räume sind, in denen diese Unterhaltungen leicht fallen sollten.

 
 
 
 
 
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[typedjs]Mit der Erkenntnis, dass eine geliebte Frau auch kurz vor ihrem Tod weder kritisch noch wohlwollend über Adolf Hitler sprach, muss am Ende ich weiterleben.[/typedjs]

Als ich meine Uroma fragte, wie ihr es in den Dreißigern erging, redete sie davon, dass Hitler ihren Freundinnen und ihr etwas Gutes getan hätte. Sie redete vom Bund Deutscher Mädchen und unbeschwerten Zeiten auf dem Schulhof. So alt das Gespräch ist, so sehr erinnert es mich daran, dass eben genau eine Hälfte meiner Familie nie gelernt hat, sich richtig zu erinnern, nie gelernt hat, sich in einem Rahmen auszutauschen, den es braucht, um Geschehenes aufzuarbeiten. Dabei bleibt es für mich zweitrangig, welche Rolle genau eingenommen wurde. Zweitrangig, dass keiner meiner Familienmitglieder Teil einer ausführenden Gewalt war. Unterschiede sind mir bewusst. Mit dem Gespräch mit meiner Familie, mit der Erkenntnis, dass eine geliebte Frau auch kurz vor ihrem Tod weder kritisch noch wohlwollend über Adolf Hitler sprach, muss am Ende jedoch ich weiterleben.

Die Kritik an She Said hat mich betroffen gemacht und mitgenommen. Ich war bockig und enttäuscht, weil ich mich freuen wollte, dass es einen Ort wie diesen gibt. Weil ich lieber über gute Absichten und schöne Wandfarben reden wollte als über Verantwortung. Es hat mich mitgenommen, weil die Kritik mich ins Mark trifft. Weil sie eben nicht nur diejenigen meint, die innerhalb der Machtstrukturen weiterhin profitieren, sondern auch solche wie mich, die Verantwortung tragen, die nicht an Geld oder Einfluss gebunden ist, und sich gleichzeitig nie eindeutig mit dem Deutschsein identifizieren werden.

Emilia wurde für ihre Reaktion auf die Kritik gelobt. Für ein Statement, von dem wir wissen sollten, dass es empowernd sein kann, sich vielleicht mutig anfühlt, aber eigentlich selbstverständlich sein muss. Es könnte beispielhaft für den korrekten Umgang mit dieser Verantwortung sein. Es könnte den Anfang machen für diejenigen, die mit einer ähnlichen Geschichte oder Verwandtschaft in Argentinien hinterm Berg halten. 

Es sollte uns lehren, dass es gerade in einer linken weißen Blase unfassbar schwer ist, diese Kontinuität zum Thema zu machen, ohne auf die vermeintlich größeren Probleme zu deuten und von kleineren, aber genau so wesentlichen Kämpfen abzulenken. Was viele als Problem einer progressiven Linken beschreiben, sehe ich in diesem Fall als Stärke. Als Fähigkeit, Kapitalismuskritik, Milieuschutz, Erinnerungskultur und einen Nazihintergrund in einem Gespräch zusammenzubringen. Und all das, während wir gegen noch lebende Nazis kämpfen.

47 Kommentare

  1. Valerie

    In der KZ Gedenkstätte Neuengamme kann man tolle Workshops machen und Infos bekommen, wie man sich konkret mit der eigenen Nazi-Vergangenheit auseinandersetzt, wenn man nicht weiß wo man anfangen soll, wo man Material findet etc. Große Empfehlung!

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  2. maja

    „Die Kritik in Vortragsform von Hilal und Varatharajah hat offengelegt, wozu Menschen mit deutschen Vorfahren, mit sogenanntem Nazihintergrund, in der Vergangenheit nicht in der Lage waren…“, ist das nicht erstmal nur eine Unterstellung (gesamtgesellschaftlich ist es natürlich ein valider Vorwurf)? Die Strukturen innerhalb einer jeden Familie sind doch immer sehr individuell. Kein Außenstehender weiß welche Gespräche in der Familie von Senger geführt wurden, welche Brüche/Traumata es evtl. innerhalb der Familie gab usw. Natürlich lässt sich bei Menschen mit einem Wikipedia-Eintrag besser nachvollziehen, wie die historischen Hintergründe sind und wie das ökonomische, soziale und kulturelle Kapital evtl. vererbt wurde, aber: „Mensch mit Nazihintergrund“ trifft auf die meisten Menschen in Deutschland zu. Vielleicht stammt das von der Oma geerbte Lieblingsgeschirr usw. von einer deportierten Familie? Leider lässt sich das in den meisten Fällen kaum zurückverfolgen. Es ändert jedoch nichts daran, dass die eigenen Vorfahren vom Leid anderer proftiert haben.

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    1. Verena

      Ich glaube nicht, dass die linke Blase imstande ist, gleichzeitig so viele Themen in der nötigen Intensität zu beackern. Und ob es da nicht sinnvoller wäre, sich mit Beatrix von Storch zu befassen, ist eine berechtigte Frage. Nun ist diese kein Mitglied der linken Blase und würde daher nicht so gelassen reagieren, wie Emilia.

      Was nutzt es schon, wenn man Leute wie Emilia in die Enge treibt und gleichzeitig die wirklich gefährlichen Kaliber nicht bearbeitet? Und hat diese Kritik wirklich mit Liebe zu tun oder hat da nicht schnöder Neid (auf das Vermögen und auf die tolle Idee mit dem Buchladen) eine Rolle gespielt?

      Und mit Verlaub, liebe Fabienne, dein Urteil über deine Uroma scheint mir sehr hart. Deine Uroma war als BDM Mädchen ein junges Mädchen, das sich für Männer interessierte, Freundschaften suchte, und das Erwachsenwerden aufregend fand. Natürlich gab es da AUCH schöne Jugenderinnerungen.

      Die Arme war live und in Farbe 24 Stunden im Krieg und in der Nachkriegszeit dabei, wer weiß über welche Erlebnisse sie nicht mehr reden wollte, und sie lieber verdrängt hat. Psychologisch hatte das meist die darauffolgende Generation auszubaden.

      Damit verglichen scheint mir deine Last doch relativ milde, zumindest was die Uroma angeht.

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      1. Fabienne Sand Artikelautorin

        Danke für deinen Kommentar. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Besprechen dieser strukturellen Missverhältnisse nur so viel Raum einnehmen kann, weil nicht weiße Menschen sich Räume erschaffen haben um sie zu thematisieren und immer wieder Energie opfern. In dem Kontext finde ich es ehrlich gesagt auch nicht in Ordnung von Neid zu sprechen (ohnehin eine sehr kurz gedachte Reaktion auf Kritik in diesem Maße). In der Analyse geht es ja klar um Verantwortung innerhalb einer Unternehmung, die den Claim eines Safe Spaces erschaffen will. Die Tatsache, dass sich der Talk für Menschen wie ein „in die Enge treiben“ anfühlt, ist genau das Problem was ich in meinem Text besprechen möchte. Wir haben nicht gelernt mit dieser Art von Forderung oder Kritik umzugehen bzw. sie differenziert zu betrachten. Auf einmal reden wir über Neid – das kommt mir einfach nicht richtig vor.
        Was meine Oma angeht, so wollte ich mit diesen wenigen Sätzen verdeutlichen, dass auch ich als nicht weiße Person Familienmitglieder habe und hatte, die den Nationalsozialismus nie aufgearbeitet haben. Das ist ein Problem und führt dazu, dass ich als Nachfahrin mir selbst erarbeiten muss, dieses Verhalten und meine Verantwortung in dem Kontext mit weniger Unterstützung einzuordnen. Das hat für mich weniger mit einem persönlichen Verurteilen zutun als mit dem Schock darüber, dass ein Verurteilen des dritten Reiches eben für Menschen in meinem direkten Umfeld viel weniger selbstverständlich war als für mich. Und über diese Last mag ich nicht klagen. Für mich ist viel schlimmer zu hören wie geliebte Menschen die Vergangenheit relativieren und im gleichen Atemzug in dein Gesicht sagen, dass „Ausländer“ hier nichts zu suchen hätten. Ich verstehe nur heute, dass ein Zusammenhang besteht.

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        1. Verena

          Liebe Fabienne

          ich glaube nicht, dass dies an nichtweißen Menschen liegt. Im Bereich des Kolonialismus kann das sein, aber im dritten Reich spielte sich der Konflikt hauptsächlich zwischen verschiedenen Gruppen weißer Menschen ab, wenn man es schlicht auf die Hautfarbe reduzieren möchte (was der Naziherrschaft in ihrer Grausamkeit nicht ansatzweise gerecht wird).

          Du weißt auch nicht, was aufgearbeitet wurde, weil vieles innerhalb der Familien stattfand, und nicht nach außen getragen wurde.

          Der Ausdruck ‚Zeit opfern‘ irritiert mich etwas. Hat dich jemand darum gebeten oder hälst DU diesen Punkt für so wichtig, dass du deine Zeit dafür aufwendest? Sollte letzteres zutreffen, kannst du auch keine Dankbarkeit und Schonung erwarten, selbst wenn dieses Engagement eminent wichtig sein sollte (was noch nicht feststeht, leider zeigen sich bleibende Wirkungen ja immer erst in der Zukunft ganz).

          Deshalb bleibt meine Anregung des Neides. Jeder – egal welche Hautfarbe er hat – sollte die eigenen Motive ab und an hinterfragen. Es gibt in meinen Augen nichts schlimmeres, als vor sich selbst nicht ehrlich zu sein, auch bei negativen Motiven.

          Übrigens ist es als Nachfahrin viel einfacher, den Nationalsozialismus aufzuarbeiten, als für Menschen, die 24 Stunden am Tag dabei waren. Das heißt nämlich, über das eigene Leben zu reflektieren, darüber nachzudenken, ob man mehr hätte machen können oder im schlimmsten Fall eigenen Verbrechen und Bereicherungen ins Auge zu sehen.

          Was ist dagegen eine Instagrammschlacht unter Nachgeborenen? Gar nichts.

          liebe Grüße!

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          1. Laura

            Ich stimme nicht mit allen Punkten deines Kommentars überein, aber diesen Abschnitt fand ich sehr spannend: „Der Ausdruck ‚Zeit opfern‘ irritiert mich etwas. Hat dich jemand darum gebeten oder hälst DU diesen Punkt für so wichtig, dass du deine Zeit dafür aufwendest? Sollte letzteres zutreffen, kannst du auch keine Dankbarkeit und Schonung erwarten, selbst wenn dieses Engagement eminent wichtig sein sollte […]“ Diese Formulierung ist mir auch schon häufiger aufgefallen, besonders auf Instagram. Was diese ‚Educators‘ angeht, habe ich eine ähnliche Meinung wie du.

            Zum Thema selbst bin ich sehr zwiegespalten. Ich verstehe nicht ganz, was der Auslöser für die Kritik war. Habe ich da was verpasst? Ist dieser Laden ein Beispiel für das System? Gibt es einen anderen Grund, wieso genau dieser Laden? Ich hätte es gut gefunden, wenn das kurz erklärt worden wäre.

  3. Iris

    Da ist mir doch gleich dieser Artikel von Nike in den Sinn gekommen: https://www.thisisjanewayne.com/news/2020/11/09/goodbye-man-repeller/
    Natürlich ein ganz anderes Thema, das ist mir bewusst – aber die Grundstimmung auf Instagram bleibt. Sobald jemand einen Fehler macht, gehen alle drauf… Die Kritik ist berechtigt, wichtig und ich bin wie so viele dankbar, dass sie ausgesprochen wird. Vielleicht wird es ja jetzt zur Norm, sich diesbezüglich zu äußern bevor man ein öffentliches Projekt startet? I doubt it, aber aller Anfang ist schwer.. Nur was darauf folgt, mutet an wie eine Hexenjagd, bei der man endlich mal so richtig den geballten Frust ablassen kann. Ich wünsche Emilia viel Kraft, das Projekt weiterhin durchzuziehen und durchzustehen, trotz der unverhältnismäßig bösen Kommentare und trotz des aktuellen Rückschlages. Und vielleicht kommt ja irgendwann der Punkt, an dem sich diese kollektive Energie bündelt und auch gegen die Big Player ankommt – kann dazu die Böhmi-Neo-Folge zu den Verschwörungstheorien empfehlen. Liebe Grüße

    Antworten
    1. Dariya

      Finde, dass die Hexenjagd hierbei nicht auf Emilia losging, sondern auf die beiden, die die Debatte anstiessen. Ihnen wünsche ich gutes Durchhalten.

      Antworten
  4. anne

    Ich verstehe, dass sich ein unangenehmes Gefühl breit macht, wenn ein „safe space“ mit Nazi-Geld finanziert wurde (obwohl sie sagt, es sei vom Erbe mütterlicherseits), und dass man sie zwar für ihre „Transparenz“ loben kann, aber dies eigentlich nur aus einer (abwehr-)Reaktion entstand und sie nicht proaktiv diese Infos teilte. andererseits denk ich mir – sie wurde in all den Blogs (hier, beige, diverse Zeitungen) total gefeiert, und niemand fragte nach, wie sie sich in Zeiten einer Pandemie es sich leisten kann, eine Buchhandlung zu eröffnen (eine Branche die sowieso um ihr überleben kämpft). ihr Name (und auch der ihrer gehypten schwester) war allseits bekannt, Wikipedia hat wahrscheinlich auch vor einem halben jahr die gleichen Infos gegeben, wenn man sie gesucht hätte. ich will damit nicht sagen, dass die Gesellschaft die pflicht hat, misstrauisch zu sein und hinter jeder ecke verstecktes nazi-Geld zu vermuten. sondern ich möchte damit eher aufzeigen, dass man grundsätzlich über Reichtum und die Herkunft des geldes sprechen sollte und auch die Verantwortung, die damit einhergeht. die Idee hinter dem buchladen bleibt ja die gleiche, auch wenn jetzt mehr über die Finanzierung bekannt wurde. wie hätte denn eine optimale Vorgehensweise ausgesehen? dürfte sie gar kein Geld von ihren vorfahren annehmen, auch wenn der „zweck“ an sich löblich ist? hätte sie von anfang an alles transparent aufzeigen sollen, und damit wäre alles ok gewesen? wie geht man allgemein mit geerbtem Geld um? ich bin aus der schweiz, da ist das nazi-Thema nicht so präsent wie in Deutschland, aber trotzdem bin ich umgeben von wohlhabenden freunden, die sich Wohnungen und Autos leisten können mit finanzieller Unterstützung der Eltern – ist deren Geld sauber? Geld, verdient aus rohstoffhandel, banken…kann man verlangen, dass die kinder dieser Eltern, aufgewachsen in einer wohlstandsbubble, die keine moralischen bedenken kennt, ihren Lebensstil ändern, obwohl sie gar nichts anderes kennen? ich finde es essentiell, dass man den Dialog sucht und sich nicht scheut, zu fragen. es ist vielleicht nicht „korrekt“, wie Emilia gehandelt hat, nehmen wir es als Lehrstück mit auf den weg, es gibt bestimmt noch unzählige solche Beispiele, bei denen man den selben fehler vermeiden kann.

    Antworten
    1. Laura

      Ich bin auch Schweizerin. Die deutsche Diskussionskultur zum diesem Thema ist mir deshalb nicht sehr geläufig. Ich frage mich aber: Wieso hätte sie das proaktiv kommunizieren müssen? Völlig unabhängig, ob sie überhaupt wusste, woher das Geld kommt: Wieso muss sie schon vorher Busse tun? Schuldet sie wirklich jemandem Rechenschaft darüber? Ich fühle mich einfach unwohl mit der Tatsache, dass irgendjemand das Recht hat, solche Dinge von Wildfremden zu fordern.

      Du sagst: „ich umgeben von wohlhabenden freunden, die sich Wohnungen und Autos leisten können mit finanzieller Unterstützung der Eltern – ist deren Geld sauber?“ Ehrliche Frage: Was ist für dich sauberes Geld? Und wie soll man mit nicht-sauberem Geld ‚korrekt‘ umgehen? Ehrliche Frage, ich bin neugierig 🙂

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      1. Fabienne Sand Artikelautorin

        Liebe Laura,

        ich verstehe was du meinst. Die Forderung nach Transparenz (die ja in feministischen Kontexten immer wieder im Raum steht – wie zum Beispiel auch auf diesem Blog) erklärt sich für mich in diesem Fall über das Ansprechen von Privilegien, sowie dem Eigenkapital (auch von ihr benannt), was in die Unternehmung floss.

        Mir ist gerade eine weitere Sache aufgefallen die ich im Text noch nicht benannt habe. Ich merke nämlich gerade, dass wir im Kontext von Community Marketing bzw. Unternehmungen oder Businesses mit feministischen Claim nicht gewohnt sind, dass diese ihre Finanzen nackig machen sollten. Wir wollen diese Räume einatmen und von ihnen profitieren, sie geben uns ein gutes Gefühl einer nachhaltigeren Kaufentscheidung. Am Ende aber verlernen wir (bzw. ich zumindest) feministische Grundprinzipien zu hinterfragen die eben auch zu diesen Claims dazugehören müssen.

        Privilegien wirklich sichtbar zu machen bedeutet ja auch sie konkret zu benennen und nicht nur zu teasern. Ich finde es total in Ordnung, wenn in diesem Fall das Privileg von Kapital (in vielerlei Hinsichten) offengelegt wird. Vor allem, weil wir (und das auch an dieser Stelle immer wieder!!!) über Transparenz im Kontext Finanzen etc. sprechen und vor allem viele Konsumentinnen diese einfordern.

        Warum ist es nicht mehr so wichtig wenn es um eine Sache geht, die wir unbedingt gut finden wollen? Das Dilemma habe ich ja auch. ich möchte da meine Bücher kaufen. Ich finde alles daran schön und cool. Die Besitzerin, die Location, den Look. Und trotzdem weiß ich, dass der Ort mit einem Claim feministisch zu sein als kapitalistische Unternehmung im Widerspruch hierzu steht, er für viele Menschen aus multiplen gründen nicht zugänglich ist oder nicht einladend erscheint.

        Antworten
        1. Verena

          Liebe Fabienne

          wie meinst du den Zusammenhang zwischen Feminismus und Kapitalismus? Meinst du Kapitalismus und Feminismus gehen nicht zusammen oder schließen einander aus? So habe ich dich zumindest verstanden. Es wäre nett, wenn du das noch etwas erklären könntest, insbesondere die Gründe für diese Ansicht würden mich interessieren.

          l. G. Verena

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        2. anne

          hey fabienne! kannst du mir beispiele nennen, wo komplette transparenz herrscht bzgl finanzierung und privilegien für gründungen/eröffungen etc. – und vielleicht jetzt mal sogar unabhängig vom geschlecht? vielleicht entgehen mir diese infos – aber, ausser gerade bei cloudy die auf instagram über die gründung von handhand gesprochen hat – habe ich noch selten eine detaillierte antwort zur frage gehört „wie konntest du dir das finazieren“. ausser es handelt sich um start-ups, die crowdfunding oder investoren gesucht haben oder so, aber bsp bei kleiderläden und anderen brands? also ist das privileg an sich kein problem, wenn sie es offen gelegt hätte (steht privileg im widerspruch zu business mit feministischem claim?)? oder ist die herkunft des privilegs das problem?

          Antworten
          1. Fabienne Sand Artikelautorin

            Hey – das kann ich nicht. es gibt keine Beispiele. Ich sage, dass ich es in Kontexten wie bei She Said wichtig finde. Das meint selbstverständlich nicht immer nicht jede Unternehmung und auch nicht jede Privatperson.

        3. Laura

          Liebe Fabienne,

          danke für deine ausführliche Antwort, ich finde den Austausch sehr bereichern :). Du schreibst, diese Forderung nach Transparenz stehe besonders im feministischen Kontext immer wieder im Raum. Das mag sein, doch wer kommt dieser Forderung effektiv nach? Auch dieser Blog schlüsselt ja nicht auf, wie das Geld verdient wird, ob das nun Kooperationen, Aufträge oder Werbung sind. Er „macht sich nicht nackig“ – völlig zu Recht wie ich eben finde. Natürlich ist es nett und spannend, hinter die Kulissen blicken zu können. Als Leserin fühle ich aber nicht, dass ich ein Anrecht auf diese Informationen hätte. Man sieht ja jeweils auch in der Rubrik Kassensturz, dass man sich auch als (anonyme) Privatperson sehr angreifbar macht.

          Dieser Buchladen an sich ist mir total egal, ich bin aus der Schweiz und werde ihn höchstwahrscheinlich nie besuchen. Als Beispiel finde ich ihn aber sehr spannend. Wieso findest du es gerade in diesem Fall in Ordnung, dass das „Privileg von Kapital“ offen gelegt wird? Bis jetzt ist mir nicht eindeutig klar, was hierfür Kriterien sind oder wie andere damit umgehen sollen.

          Antworten
      2. anne

        das sind ja genau die fragen, die ich mir selber stelle…welches geld ist schon „sauber“? vielleicht ein kleine/r unternehmer/in, der mit viel fleiss seine brötchen verkaufen konnte, irgendwie „ehrliche“ arbeit, die weder auf ausbeutung noch auf „ausnützen“ von schwammigen gesetzen beruht? oder liegt es oft auch an glück, zur richtigen zeit am richtigen ort? aber vielleicht nicht jemand, der für glencore arbeitet? oder für banken, die geld damit machen, dass reiche leute ihr geld in der schweiz verstecken um die steuern im eigenen land zu umgehen? jemand, der seine erfolge nicht auf kosten anderer erreicht?(klima, menschen, ressourcen, was auch immer) aber irgendwie ist ja trotzdem alles kapitalismus…ich weiss es auch nicht 🙂 wer geld hat, kann es auch einfacher vermehren, das zeigt ja gerade auch das corona-jahr, in dem reiche noch reicher wurden (bsp durchschnittliches budget für weihnachtsgeschenke in der schweiz war im dezember so hoch wie seit jahren nicht mehr). und wenn dieser leicht zu vermehrende reichtum auf ungerechtigkeiten und gräueltaten beruht, auch wenn dies von meinem ururgrossvater, den ich nicht kenne, stammt – dann kann ich doch wohl kaum das geld mit gutem gewissen gebrauchen? vielleicht einfach spenden, der gesellschaft etwas zurückgeben? wenn aber zbsp meine eltern „sauberes“ geld verdienen, obwohl die grundlage dafür „schmutziges“ geld war des grossvaters, darf ich dann auch das geld der eltern nicht annehmen? wo ist die grenze? wie kann man das 70 jahren noch trennen? wie kommt man je von dieser „schuld“, mit der man geboren wurde, los? sind einfach fragen, die ich mir stelle, für die ich aber bis jetzt noch keine antworten habe 🙂 mir fällt einfach auf, dass gerade in der schweiz das thema „herkunft von reichtum“ selten thematisiert wird, obwohl das geld gefühlt auf der strasse liegt 🙂

        Antworten
        1. Verena

          Kaum etwas zeigt die Idee des Kapitalismus so klar, wie ein Blog wie dieser oder Influencer auf Instagramm oder sonst wo. Es werden Frauen unterhalten und dazu angeregt, sich Klamotten zu kaufen, die sie ohne die hübschen Bilder niemals vermisst hätten (weil der Kleiderschrank ohnehin schon voll war)

          Frau verstehe mich nicht falsch, ich bin die Letzte, die etwas dagegen hätte. Aber kritische Gedanken über Kapitalismus und Werbung für unnütze Gegenstände widersprechen sich einfach. Kapitalismus ist nicht nur Reich sein sondern auch ein Business zu betreiben, das sich den Grundgedanken des Kapitalismus (mehr Nachfrage generieren und dadurch Wachstum erzeugen) zu eigen macht.

          Da jeder von etwas leben muss, hilft vielleicht der Gedanke, dass es kaum ein 100 % ig reines finazielles Gewissen geben wird. Ich wüsste auch nicht, warum Frauen darauf achten sollen und Männer nicht. Das ist eine Selbstbeschränkung, mit der frau sich nur selbst behindert.

          Antworten
  5. Hanna

    Liebe Fabienne,
    riesigen Dank zu deinem Beitrag zum Diskurs!

    Um noch einmal auf das Grundthema dieses Beitrags zurückzukommen, möchte ich zwei Beobachtungen los werden, die konstruktiv aber eben auch kritisch gemeint sind:

    Erstens wird Fabienne hier sehr stark und sehr selbstverständlich in die Pflicht genommen, auch über diesen Beitrag hinaus, weiterführende Bildungs- und Aufklärungsarbeit für Menschen mit Nazihintergrund zu leisten. Nicht nur, dass sie sowieso schon unglaublich wichtige Arbeit macht, die weiße Menschen machen sollten, es aber nicht tun. Sondern, und das ist auch 70 Jahre nach der Shoah nicht angekommen: sich kritisch mit seiner eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen und das Schweigen darüber zu brechen, MUSS selbstverständliche Aufgabe aller Menschen mit Nazihintergrund in diesem Land sein. Schlimm genug, dass im Jahr 2021 Menschen ohne Nazihintergrund weiterhin diese Arbeit leisten müssen und zwar nicht aus Spaß an der Sache, sondern, weil eine Aufklärung der NS-Familiengeschichten mit einer Aufklärung machtvoller Strukturen zusammenhängt, die weiße Menschen intergenerational weitergegeben wird und rassifizierte oder marginalisierte Gruppen unterdrückt. Dass eine Entnazifizierung in Deutschland nie stattgefunden hat, zeigt sich in der Kontinuität, in der davon ausgegangen wird, nur sich dezidiert rechts positionierende Menschen wie Beatrix von Storch seien das Grundproblem, aber das monetäre und kulturelle Erbe einer Familie Stoschek oder von Senger wäre okay. Die „unbequeme Wahrheit“, wie Fabienne so treffend schreibt ist: nein, ist es nicht.

    Auch wird in einigen Kommentaren eine erschreckende Analyse bestätigt, nach der 69 % der befragten Deutschen mit Nazihintergrund davon ausgehen, keine Täter:innen in der eigenen Familie gehabt zu haben und 54 % meinen, in ihren Familien seien Opfer der NS-Zeit gewesen. Eine private Aufklärung der eigenen NS-Familiengeschichte kann in dem Umfang für den hier teilweise plädiert wird, also keinesfalls erfolgt sein. Zu den Studienergebnissen kommt man u.a. hier: https://www.stiftung-evz.de/fileadmin/user_upload/EVZ_Uploads/Pressemitteilungen/MEMO_PK_final_13.2.pdf

    Für einen weiteren Einstieg in das Thema, haben Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah Artikel und Dokus zusammengestellt, an denen Mensch mit Nazihintergrund weiterlernen kann und muss: Nazierbe: das materielle Erbe, auf dem Menschen mit Nazihintergrund bauen. (google.com)

    Antworten
    1. Laura

      Ich finde, dieser Satz ist in diesem Zusammenhang etwas verfehlt: „Fabienne [wird ]hier sehr stark und sehr selbstverständlich in die Pflicht genommen, auch über diesen Beitrag hinaus, weiterführende Bildungs- und Aufklärungsarbeit für Menschen mit Nazihintergrund zu leisten.“ Das hier ist eine Art journalistisches Gefäss. Natürlich gibt es einen Meinungsaustausch, wenn Kommentare möglich sind. Und auch dass Fragen gestellt werden ist verständlich, da man ja weiss, dass die Autorinnen von JaneWayne diese lesen und häufig antworten.

      Antworten
    2. Oliver Wilkening

      Lieber Oliver Wilkening,
      wie du dir vorstellen kannst, verstößt dein Kommentar gegen unsere Netiquette.
      Ich würde dir empfehlen, deine Wut im Bauch in etwas Produktive umzuwandeln, dich weiterzubilden und dich zu fragen, woher dein Groll genau kommt. Konstruktive Kritik ist hier immer willkommen, blanke Beleidigungen und rassistische Kommentare haben wir keinen Platz. Das verstehst du sicher.
      Die Redaktion

      Antworten
  6. Verena

    Liebe Hanna

    Vermögen hat nichts mit weiss sein zu tun, dazu muss man sich nur einmal in einem Trailerpark in den USA umsehen. Ich empfehle dazu die Hillbilly Elegie, dort wird anhand der Biografie eines Bildungsaufsteigers exemplarisch beschrieben, weshalb er so ein Einzelfall ist.

    Natürlich ist man immer privilegiert, wenn man Vermögen hat. Weshalb jetzt die Stoscheks sich mehr privilegiert fühlen sollen als die Thurn und Taxis (deren Vermögen wesentlich älter ist und daher unverdächtig aus Nazizeiten zu stammen) erschließt sich mir allerdings nicht.

    Die Mehrheit der Einwohner Deutschlands ist Geringverdiener, quer durch alle farblichen Gruppen. Das hier vorgelegte Denkmodell, in dem Menschen nach Hautfarbe in Gruppen zusammenfasst, die dann gleich beurteilt werden, und denen gleiche Lebensweisen, Ziele und Möglichkeiten unterstellt werden, negiert die Auswirkungen gesellschaftlicher Schichten.

    Mich überzeugt das daher nicht.

    Über die Unternehmen, die ihr Vermögen in und mit der Nazizeit gemacht haben, sind mir bekannt. Mich wundert wirklich, dass das für manche so neu ist?

    Antworten
  7. Lotta

    Mal umgekehrt gedacht:

    Hätte sie offensiv Werbung damit gemacht, dass sie das Nazi-Erbe ihrer Großeltern nutzt, um einen queer-feministischen Buchladen aufzumachen, hätten wir sie alle dafür abgefeiert, oder? Denn eigentlich ist es ein sehr geiler Mittelfinger an den SS-Opa. (Nein, sie hat keinen SS-Opa, nur beispielhaft gesprochen.)

    Schwieriges Thema. Auf jeden Fall ein großes „Ja, unbedingt!“ zur kritischen Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit der Familie. Aber dass ich jetzt die Herkunft meines vorhandenen oder nicht vorhandenen Reichtums offenlegen soll, bevor ich mich feministisch äußern darf? Da hab ich Bauchschmerzen. Da sind wir irgendwo falsch abgebogen.
    Und wie oben schon geschrieben: Wenn Feminismus nur mit Ablehnung des Kapitalismus geht, dann muss dieser Blog und euer Geschäftsmodell abgeschafft werden.

    Und eine Frage, die mich wirklich gerade ernsthaft umtreibt: Zerfransen wir uns im linken Lager gerade nicht zu sehr in Identitätspolitik? Momentan denke ich jedes Mal, wenn ich Twitter öffne: Welche Sau treibt die linke, woke Blase (zu der ich ja genauso dazugehöre) heute wieder durchs Dorf? Wie gesagt: Sind wir da nicht irgendwo falsch abgebogen?

    Antworten
    1. Maja

      Die (auch historische) Tatsache, dass sich links motivierte Menschen sehr oft gegenseitig ihre Fehler vorhalten oder sich jegliche Legitimation absprechen, statt einen gemeinsamen Nenner zu finden (im rechten Spektrum funktioniert das leider zu gut), ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass sich noch immer zu wenig bewegt. (Und es kann auch abschreckend auf potentielle Mitwirkende wirken.)

      Antworten
    2. Fabienne Sand Artikelautorin

      Hey Lotta! Danke dir.

      Ehrlich gesagt stört mich diese Argumentation total. Ich bin absolut davon überzeugt, dass innerhalb einer Linken Blase diverse unterschiedliche Kämpfe gleichzeitig passieren. Menschen die politische Arbeit machen können sich in Gruppen organisieren oder Parteiarbeit leisten. Menschen, die Recherchieren und rechte Straftaten zb journalistisch aufarbeiten. Menschen die auf Podien sprechen. Wissenschaftlerinnen. So viele Positionen und eben auch so viele unterschiedliche Kämpfe. Es ist eine absolute Utopie und für mich auch ein Ausrede, immer wieder zu verargumentieren, dass wir „uns nicht gegenseitig zerfleischen sollen“ wenn eine wichtige und berechtige Kritik kommt. Wer denkt, dass Twitter ausschlaggebend für politische Kämpfe ist, ist gleichzeitig nicht darüber im Bilde, wie politische Arbeit offline funktioniert und wie viele Gruppen sich zeitgleich für was weiß ich was organisieren.

      Außerdem: Natürlich soll nicht jede Person die sich feministisch äußert ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse offenlegen. Das fordere ich an keiner Stelle. Ich halte das Hinterfragen aber für total berechtigt, wenn jemand mit „feministischem“ Community Marketing und dem Claim eines Safe Spaces Geld verdient. Es handelt sich hier nicht um einen gemeinnützigen Verein. Warum sollte man nicht beim googlen stutzig werden , das Thema Eigenkapital und Nazi Erbe ansprechen und dann darüber reden? Emilia hat sich in der Verhandlung des Konflikts total super verhalten. Ich rufe hier ja nicht zum Boykott auf. Mich hat aber die Diskussion dazu gebracht mich in solchen Kontexten zu positionieren und eigenes Verhalten zu reflektieren, weil ich weiße, deutsche Vorfahren habe. Das finde ich wichtig und ehrlich gesagt nicht mal besonders krass.

      Antworten
      1. Maja

        Hallo Fabienne,

        „Es ist eine absolute Utopie und für mich auch ein Ausrede, immer wieder zu verargumentieren, dass wir „uns nicht gegenseitig zerfleischen sollen“ wenn eine wichtige und berechtige Kritik kommt. Wer denkt, dass Twitter ausschlaggebend für politische Kämpfe ist, ist gleichzeitig nicht darüber im Bilde, wie politische Arbeit offline funktioniert und wie viele Gruppen sich zeitgleich für was weiß ich was organisieren. “ Ich bin nicht bei Twitter ;), aber ich habe schon öfters an Diskussionsrunden u.ä. teilgenommen, die sich stundenlang im Kreis gedreht haben, da oft versucht wird alle Probleme gleichzeitig zu lösen und keine Gruppe außen vor zu lassen (und auch der Geltungsdrang manch einer Person spielt da manchmal mit). Das verlangsamt dann oft leider das Vorankommen insgesamt.

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        1. Oliver Wilkening

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  8. Hanna

    Puh, da vermischen sich jetzt so viele Aussagen, Unterstellungen und Ebenen, dass ich dem in keiner einzelnen Antwort gerecht werden könnte. Woher nimmst du denn die Basis deiner Aussagen, wenn ich fragen darf? Dass Hillbillie Elegy als autobiografisches Buch oder Netflix-Verfilmung nur einen einzelner Ausschnitt eines großen Ganzen darstellt und das auch nur aus einer weißen Perspektive, ist dir sicher klar. Nur frage ich mich, worauf du mit all deinen Kommentaren eigentlich hinauswillst?

    Dass finanzielles Vermögen nichts mit weiß sein zutun hat, ist ein Aussagenkonstrukt, das so einfach nicht stimmt. Finanzielles Vermögen hat mit kulturellem Vermögen hat mit sozialem Vermögen zutun, das alles wiederum hat ganz viel mit Hautfarben, weißer Dominanzkultur und Normalitätsvorstellungen zutun. Hier ein Artikel, der beispielsweise die Verflechtung dieser Faktoren bzgl. der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt von sog. Menschen mit Migrationshintergrund auseinanderdröselt: https://heimatkunde.boell.de/de/2010/04/01/arbeitsmarktdiskriminierung-von-migrantinnen-zwischen-strukturellen-barrieren-und

    So sehr ich mir wünschte, dieses „Denkmodell“ sei erdacht, leider spiegelt es die Realität viel stärker wieder als bspw. eine Hollywood-Verfilmung wie Hillbillie Elegy vermuten lässt (den Film fand ich übrigens sehr gut, als Einzelaspekt gesehen, versteht sich).

    Und wie du darauf kommst, dass sich die Stoscheks privilegierter fühlen sollen als die Thurn und Taxis, ist mir schleierhaft. Auch das Vermögen letzterer ist nicht „unverdächtig“, „sauberes“ Vermögen ist sich generell ein Widerspruch in sich, allerdings ist es gerade bei altem deutschen Adel noch mal besonders „verdächtig“, da von Grunde auf aus einer Machthierarchie Einfluss und Ausbeutung ausgeübt wurde, die dem Bauern oder der Bäuerin so nicht möglich war. Aber auch der:die kleine deutsche Bauer oder Bäuerin profitierte bspw. im Nationalsozialismus von Zwangsarbeit, so schwierig und komplex das auch alles zu verstehen sein mag, weshalb ja die ganze Debatte zwar viel zu spät aber unglaublich wichtig ist. https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ns-zwangsarbeit/227271/profiteure-helfer-handlungsspielraeume

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    1. Verena

      Liebe Hanna

      bei der Hillbillyelegie beziehe ich mich auf das Buch. Dort wird dargestellt, weshalb die sog. Hillbillys (weiße Nchfahren armer Iren) eben nie einen sozialen Aufstieg hingelegt haben, wie beispielsweiße andere weiße an der Ostküste (die aus anderen Teilen Europas stammten und einen anderen religiös/kulturellen Hintergrund hatten. Beide Gruppen sind aber weiß.

      Dieses Beispiel betrifft Millionen Amerikaner.

      Da mir aus dem Stegreif ein solches Beispiel einfällt, das sich mit der Einteilung von Menschen nach Hautfarbe in Gruppen nicht erklären lässt, heißt dies, dass die Theorie schwere Mängel hat bzw. insgesamt nichts taugt.

      Zum Vermögen, das mit kulturellem Vermögen und weiß sein zu tun hat, fallen mir verschiedene Verbrechresyndikate ein. Weiß sind sie nicht alle, aber sehr, sehr reich.

      Was die schwierige Debatte um die kleinen Bauern unter dem Nationalsozialismus angeht: wo liegen die Priviliegien der Ausgebombten weißen Arbeiter oder der vertriebenen Landarbeiter?

      Du musst mir darauf nicht antworten, ich möchte lediglich darstellen, dass das gedankliche Konstrukt, das du hier darstellst, theoretisch wunderbar stimmig ist, aber in der Praxis wenig taugt.

      ich halte Fragen wie Ausbildung, Sprachförderung für weitaus wichtiger, um Beispiele zu nennen.

      liebe Grüße!

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      1. Lara

        Hallo Verena,

        ich verstehe deine folgende Aussage nicht:
        „Was die schwierige Debatte um die kleinen Bauern unter dem Nationalsozialismus angeht: wo liegen die Priviliegien der Ausgebombten weißen Arbeiter oder der vertriebenen Landarbeiter?“
        Es geht doch in Fabiennes Text um die Verantwortung sich mit der Rolle der eigenen Vorfahren im dritten Reich, also mit der eigenen Nazivergangenheit zu beschäftigen. Und auch mein Urgroßvater als kleiner Bauer hat das Naziregime mitgetragen, indem er es nicht aktiv bekämpft hat…
        Niemensch hier hat behauptet, dass kleine Bauern es geil fanden ausgebombt zu werden oder es verdient hätten. Krieg ist nie geil. Deshalb verstehe ich deinen Kommentar nicht und frage mich weiter, was du damit ausdrücken und miteinander vergleichen willst?

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        1. Verena

          Hallo Lara

          ich bezog mich auf den Kommentar Hannas über meinem. Sie schrieb: auch der, kleine Bauer profitierte von Zwangsarbeit usw usf. Wohlbemerkt: der kleine Bauer im Sinne von allen.

          Das Leben ist und war weitaus vielschichtiger, als dass es sich in derart grobe Gruppen einteilen liesse. Ich bin Fabienne und ihrem Artikel sehr dankbar, hat sich doch eine spannende Diskussion unter den Kommentatorinnen entwickelt.

          Das Thema, um das es mir dabei – unabhängig von kleinen Beispielen geht – ist gesellschaftspolitisch. Ich finde es nicht sonderlich schlau, identitätspolitisch zu argumentieren, aber das kannst du alles bei Interesse aus den anderen Kommentaren entnehmen.

          liebe Grüße

          Verena

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      2. Oliver Wilkening

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  9. Fritzi

    Vielen Dank für den Artikel, über den ich erst auf das Thema aufmerksam wurde und dadurch viele Gedanken angestoßen hat. Ich teile die Kritik an der Unischtbarkeit von Nazihintergründen im gegenwärtigen Kapital voll und ganz und finde es enorm wichtig, dass thematisiert wird, wie und mit welchem Geld heute weiterhin gewirtschaftet wird. Ich finde aber das auch das Unbehagen, dass hier an der Fokussierung auf konkrete Personen geäußert wird, wichtig und würde gerne auf die Frage aus einem obigen Kommentar zurükkommen, ob/wo nicht falsch abgebogen. Mir scheint, aus diesem wichtigen und richtigen Kritikpunkt die Forderung zu ziehen, dass individuellen Personen ihre persönlichen Finanzen und Familiengeshcichten transparent machen müssen, eigentlich am Kern der Kritik vorbeizuzielen. Stattdessen drückt sich, meiner Meinung nach, in dieser Forderung eine (ungute, wie ich finde) Umkehrung des bekannten Slogans „Das Private ist Politisch“ aus, dernach nur die Personen „gute“ Feministinnen sind, die in jeglicher Hinsicht eine lupenreine Weste vorweisen können. Was ist also, wenn wir an einer anderen Stelle abbiegen würden und nicht den Weg dem Kapitals von seinen Urprüngen hin zur individuellen Unternehmer*in in der Gegenwart einschlagen würden, sondern lieber in Richtung Politik abbiegen? Müsste die Frage dann nicht viel mehr lauten, warum die deutsche Erbschaftspolitik und -gesetze es überhaupt ermöglichen, dass 1) Menschen finanziell unterschiedlich stark in ihre Lebens starten können (dank Erbschaft oder eben nicht) und 2) warum im/mit dem dritten Reich erwirtschadtetes Geld weiterverbt werden kann?

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  10. Antonia

    Eine Auseinandersetzung mit dem Nazi Erbe muss in Deutschland selbstverständlich sein. Gerade in den beiden Fällen ist es ja so, dass von dem Erbe profitiert wird. Das ist ja auch nicht gesetzeswidrig, macht aber die Frage nach Richtig und Falsch dadurch um so schwerer. Und letztlich bleibt dann die eigene moralische Vorstellung und die bietet sehr viel Diskussionsspielraum. Denn auch wenn im Fall von Senger das Eigenkapital aus mütterlichen Seite kam, so wird doch zumindest die Kindheit und Jugend von dem Erbe der väterlichen Seite geprägt sein. Dass die Vorfahren Nazis waren ist ein Fakt. Da kann man sich nicht ausreden. Was tun also? Sollte man sich schämen und den Namen ablegen oder ist es okay von Seger und Etterlin in Großbuchstaben in seine Biographie zu schreiben? Mich hat das Video sehr aufgerüttelt und meine eigene Naivität in Bezug auf die „Ent Nazifizierung “ aufgezeigt.

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  11. Lucia

    Ich finde die Frage „Wie hast du dir das leisten können“ sehr wichtig und finde sie sollte, unabhängig von Nazihintergrund, öfter gestellt werden. Warum ich das aus feministischer Perspektive wichtig finde: Menschen wie Emilia, ein ein Bussiness eröffnen, sich ein Häuschen auf dem Land kaufen oder sonstige Lebensträume erfüllen, werden als role models dargestellt, als mutige Frauen, die uns inspirieren sollen, was man alles tolles mit seinem Leben machen kann. Da finde ich die Frage nach der Finanzierung super relevant, denn damit kann ich persönlich rückschließen, ob diese Geschichte für mich als Vorbild taugt und welches Startkapital man dafür benötigt.

    Dazu auch: Niemand ist in Deutschland verpflichtet, sein monetäres Erbe anzutreten. Wer erbt, kann sich im Zuge dessen damit auseinander setzten, ob er das Konzept Erbe und die Herkunft des Geldes vertreten kann. Wenn ja, kann man ja auch offensiv darüber reden, woher man sein Kapital hat.

    Nicht über Geld und Erbe zu reden, nützt am Ende vor allem den Menschen, die besonders viel davon haben, denn es hält bei Menschen, die kein Kapital haben, die Illusion aufrecht, dass alle ungefähr gleich viel haben.

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    1. Oliver Wilkening

      Häuschen auf dem Land? Geht ja gar nicht. Das ist unökologisch, hat der Anton gesagt.

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  12. Petra Peterata

    Willkommen in der Sippenhaft. Wie viel elender kann eine Diskussion eigentlich noch werden? Jetzt soll sich jemand ernsthaft dafür entschuldigen, was die eigenen Großeltern gemacht haben, lange bevor man geboren worden ist. Als ob man mit der Eröffnung eines Queer-Feministischen Buchladens nicht aktiv gegen diese Ideologie ankämpfen würde. Geht es bei dieser ganzen Diskussion eigentlich noch um die Überwindung von Rassismus und Ausgrenzung oder am inzwischen nur noch darum ein paar Points auf dem eigenen Woke-Konto gut zu machen? Wer fordert, dass jemand die eigenen Privilegien abgibt (in diesem Fall Geld), anstatt diese für sich selbst und alle anderen einzufordern ist übrigens nicht Links, sondern vor allem Deutsch. Die verkürzte (aka falsche) Kapitalismuskritik mit der hier mal wieder herumgewirbelt wird, ist übrigens auch in erster Linie peinlich.

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  14. Oliver Wilkening

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    1. Lotta

      Es ist unglaublich, was inzwischen in diesem Land abgeht. Jeder dahergelaufene Deutsche, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt, wird Blogger, macht einen instagram-Kanal auf oder wird twitterer und spielt sich als „Querdenker“ oder „Verschwörungstheoretiker“ auf und fällt über die Einheimischen her. Am besten imitiert er auch noch deutsches Volksgehabe, um die Anspruchshaftigkeit seines Tuns zu rechtfertigen. Das alles wird dann noch von dem Heiligenschein des Bessermenschentums gekrönt. Begriffe wie Solidarität oder Toleranz sind diesen Figuren völlig fremd. In den meisten Fällen ist der Beitrag, den sie für dieses Land erbringen, marginal, denn jeder Klomann ist wertvoller. Es sind professionelle Opfer, die auf der „querdenkenden“ Welle mitreiten, die Unfähigkeit der Gesellschaft, sich zu wehren, ausnutzen und den Selbstkasteiungswahn der rechten deutschen Gutmenschen befeuern. Diese Gestalten sind keine echten Deutschen und werden es auch niemals werden, da hilft kein deutscher Pass oder rudimentäre Geschichtskenntnisse. Es sind und bleiben Parasiten, die sich im deutschen Wohlstandsstaat durchfüttern lassen und dann noch permanent die Hand beissen, von der sie gefüttert werden. PS: Bin ich jetzt „woke“ oder Vertreter der „Cancel Culture“? Und wenn schon. Das Urteil steht doch schon fest, also ist es mir egal.

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  15. Marion

    Hallo ihr 🙂 habe Instagram vor kurzem gelöscht (tut so gut) bekomme also nicht mehr so viel mit, umso besser „relevantes“ hier komprimiert (und ohne all die Kommentare auf Insta) zu lesen und gesellschaftliche Diskussionen mitzubekommen! Liebste Grüße an LeserInnen und Janes

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  16. dominika

    Amüsant schon wie hier von einer „linken bubble“ geredet wird bei einer Person, die über Vermögen und Kapital verfügt und dieses im kapitalisitischen Sinn reinverstiert. Ich komme mir da ziemlich excludued vor in dieser „linken bubble“. Daran anschließend: der deutsche Adel oder Post-Adel an sich, ist ja wohl schonmal sowas von nicht links. Aber wird auch 0 reflektiert, wie man sich damit auseiander setzen könnte, sofern man ja Teil einer „linken bubble“ ist. Geld leihen und Erbschaft, höchstwahrschienlich auf Basis von Nazu Vergangenheit auch nicht zu thematisieren, aber sich irgendwie links positionieren wollen oder poitioniert werden. Ich komme da ehrlich gesagt nicht mehr mit. Hier wird mit Narrativen gearbeitetn, sich marginalisierten Positionen bedient und genau 0, die eigenen Prrivilegien in linke Ideen, die fernab vom Kapitalismus stattfinden, investiert. Eine Ausainandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte ist dabei das Mindeste.

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  17. Pingback: #12 PAKH - gestern ist jetzt

  18. Chris

    Ich denke wir sollten das tauschen von Menschen mit Nazi-Hintergrund zu Menschen mit Genocid Hintergrund. Das klingt dann nicht so als würden sich da jemand auf die moralische gute Seite stellen und wir würden uns wahrscheinlich weniger von einander getrennt fühlen.

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  19. Karla

    Es war vorher schon bekannt, dass die beiden Initiatoren dem antisemitischem BDS nahe stehen. Klar ist gut zu hinterfragen, was denn eigentlich Oma und Opa so getrieben haben und woher denn ein eventuelles Erbe kommt. Aber gerade die letzte Woche zeigt doch, dass es bei dem Anstoß der Debatte null um die Juden oder Zwangsarbeiter und deren Schicksal ging.
    Man will nur wissen, wie es sein kann, dass andere Menschen scheinbar sehr leicht zu viel Kohle kommen. Wäre ja auch okay, aber für das Thema dann mal wieder die toten Juden auszubuddeln, um es dann auf seine Agenda zu setzen oder Aufmerksamkeit zu generieren, ist irgendwie eklig. Vor allem, wenn die einen gar nicht interessieren. Oder kann mir sonst jemand das (leider sehr viel Fake-) Videos/Bildern/Aussagen -Geballer auf den Accounts der Initiatoren erklären?
    Es benötigt oft nur ein paar Sekunden „Recherche“ und man landet meist ziemlich schnell auf irgendwelchen wilden Propaganda-Accounts oder bei linken (jüdischen)Israelhassern, die nur zu gerne auch alle Juden in Gefahr bringen.
    Mich erinnert das alles mehr an geistige Brandstifter als an Aktivismus. Immer schön unter dem Deckmantel „Menschenrechte“… Die sprachliche Gewandtheit beider täuscht schnell darüber hinweg, dass einfach richtig viel BDS und Propaganda-Müll gepostet und reproduziert wird.
    Aber zur Diskussion hier…ja da stellt man jemanden aus der Blase an den Pranger, behauptet seine Follower hätten sich das „Hinterfragen“ gewünscht, es kann ja schließlich nicht sein, dass jemand aus so einer Familie vielleicht tatsächlich einfach mal was sinnvolles mit dem Geld machen will und so hat man schnell ein Thema, über das man quatschen kann. Dabei war es doch gerade 1933 das beliebteste Mittel, Menschen aus der Gesellschaft zu entfernen, indem man sie an den Pranger stellte oder sie denunziert wurden.

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