Ein Text über eine Freundschaft, die zu Ende ging.
Irgendwann habe ich mich dann von jener Freundin, die mich über zehn Jahre lang begleitet hatte, getrennt. Obwohl wir uns doch eigentlich geschworen hatten, ein Leben lang füreinander da zu sein. Stundenlang philosophierten wir darüber, wie es sein würde, wenn wir einmal alt seien. Dann blickten wir auf ältere Frauengruppen in Cafés, stellten uns vor, in vielen Jahren einmal an ihrer Stelle zu sitzen und wurden dabei ein wenig melancholisch. Wir wollten gemeinsam Feste feiern, viele davon bis ans Ende unserer Tage. Wir wollten zusammen alt und grau und weise werden und unsere Liebe füreinander auch in vielen Jahren noch bei zu viel Wein begießen. Ja, wir hatten wirklich fest daran geglaubt, dass unsere Freundschaft alles überstehen würde. Doch irgendwie kam alles anders.
Es war kein plötzliches Ende, es schlich sich vielmehr über eine längere Zeit an. Heimtückisch von hinten. Bis dann irgendwann eben gar nichts mehr ging. Weil selbst all die klärenden Gespräche, zu denen ich stets mit Bauchschmerzen und Herzrasen ging, schon längst zu spät stattgefunden hatten. Wir waren einander entwachsen, hatten verschiedene Ansichten und Meinungen, die selbst mit viel Wohlwollen keinen gemeinsamen Nenner mehr finden wollten. Und trotzdem hielten wir über mehrere Jahre aneinander fest, weil uns eine Zeit verband, von der wir glaubten, sie wäre Grund genug, unsere Entfremdung zu ignorieren. Bis ich dann eines Tages eben doch merkte, dass selbst zehn Jahre nicht genug sind, um eine Freundschaft, die schon längst verloren ist, weiterhin mitzuschleifen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Ich hatte gehofft, es würde bloß für eine kurze Zeit weh tun, ein wenig wie bei einem Pflaster, das man mit geschlossenen Augen von der Haut reißt, weil die Wunde endlich mal wieder frische Luft zum Atmen braucht. Natürlich hielt der Schmerz viel länger an und um die Wunde herum hinterließ das Pflaster hässliche Reste des Klebstoffes, die selbst nach langem Schrubben nicht verschwinden wollten. Manchmal füllte sich mein Kopf mit schönen Gesprächsfetzen von früher, meist aber mit der Frage, ob wir es nicht vielleicht doch hätten schaffen können. Das Freundinnen-Sein, meine ich. Aber dann fällt mir ein, was alles war und was eben auch nicht war, aber hätte sein müssen.
Es ist nicht die erste Freundschaft, die zu Ende ging, aber es ist die erste, bei der es sich wie Schlussmachen anfühlte. Hinter hervorgehaltener Hand archivierte, löschte und entfernte ich Bilder, Accounts, Erinnerungen, um eines Tages nicht ganz zufällig doch noch über Inhalte, die ein Gefühlschaos in mir aufwirbeln würden, zu stoßen. Als ich das letzte Bild aus meinem Kosmos gelöscht hatte, fühlte es sich sogar ein klein wenig leichter, aber eben auch endgültiger an — es war ein Schlussstrich, den ich lange hinausgezögert hatte und nun ein bisschen dicker zog, weil ich verstanden hatte, dass selbst jegliches Schönreden dieses Mal nichts mehr retten würde.
Grenzen zu ziehen, für mich selbst und für andere, musste ich in der Vergangenheit lernen und immer wieder üben. So lange, bis sie irgendwann mal nicht mehr bloß verschwommen, sondern klar und deutlich zu sehen waren. Auch in Freundschaften, von denen ich glaubte, sie würden niemals unüberwindbare Probleme oder Konflikte aufwerfen. Ob jene Grenzen auch meine langjährige Freundschaft gerettet hätten, weiß ich nicht, vor einem solch bitteren Ende hätten sie mich jedoch vielleicht bereits ein wenig früher bewahrt. Letztlich aber hat ein jeder Bruch ja auch etwas Gutes: Man lernt und versteht und wächst — und wenn schon nicht gemeinsam, dann zumindest jede*r für sich.