Während für einige Menschen das Schreiben eines Buches vielleicht schon einmal auf der Bucket List stand, bin ich sowohl zum Schreiben als auch zum Buch eher zufällig gekommen. Eine Idee von einer Karriere als Autorin oder Journalistin gab es bis zu meinem 24. Lebensjahr nicht einmal in meinen Träumen und dass heute ein Buch mit unter anderem meinem Namen drauf vor mir auf dem Schreibtisch liegt, ist noch immer ordentlich surreal.
Und dennoch: Ich habe Blut geleckt und kann mir nach der Veröffentlichung von „Feminism is for Everyone – Argumente für eine gleichberechtigte Gesellschaft“ durchaus noch einmal vorstellen, über längere Zeit an einem Buchprojekt zu arbeiten. Ein paar Seiten ganz für uns.
Vom Gedanken zur Veröffentlichung. Unser Buch in vier Akten.
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Das Baby
„Feminism is for everyone“ ist in einer Co-Autorinnenschaft gemeinsam mit Laura Hofmann und Felicia Ewert entstanden und am 08. April im Dressler Verlag erschienen. Das Format richtet sich vor allem an junge Leser*innen und soll eine Einstiegslektüre für diejenigen sein, die sich innerhalb schulischer Kontexte, privat oder interessehalber mit Machtstrukturen unserer Gesellschaft auseinandersetzen wollen. Die Sprache ist aus diesem Grund einfach und die Abschnitte kurz. Wir haben versucht, Feminismus an die heranzuführen, die noch so viel Raum und Zeit für Veränderung haben und vielleicht noch Argumente brauchen, um diese Veränderung in ihrem direkten oder indirekten Umfeld zu verteidigen. In der Umsetzung lag es uns vor allem nah, sensibel mit uns und unseren (jungen) Leser*innen umzugehen und ihnen trotzdem das Gefühl zu geben, vollwertiger und wichtiger Teil unserer Gesellschaft zu sein. Jungen Menschen in politisches Selbstverständnis sowie das Handwerkszeug zum Schutz des eigenen Raums oder des Raums anderer an die Hand zu geben, ist dabei schwieriger als gedacht.
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So jung ich mich hin und wieder noch fühle, so weit entfernt fühle ich mich auch von einer Generation, der ich heute schon mehr politisches Selbstverständnis zutraue, als ich heute besitze. Ich empfinde die Leser*innen unseres Buches als anspruchsvoll und verhandlungssicher und hatte oft Angst, diesem nicht gerecht zu werden. In der Zusammenarbeit mit Laura und Felicia ist nun ein Versuch öffentlich geworden, Feminismus in seiner Verhandlung von Gender, Rassismus und Intersektionalität zugänglich zu machen. Bereiche, die ich alleine nie hätte abdecken können.
Die Arbeit
Die Arbeit an meinem Anteil belief sich auf eine Recherche mit Verschriftlichungen, die mit einer Abschlussarbeit wie der Bachelorarbeit in Deutschland vergleichbar ist. Überdies kamen inhaltliche und strukturgebende Besprechungen mit meinen Co-Autorinnen hinzu. Grundsätzlich habe ich den Schreibprozess und das, was er in mir auslöst, unterschätzt. Wie so viele bin auch ich in der Recherche aufgeblüht und traute mich nicht etwas aufs Papier zu bringen. Die Sorge etwas vergessen zu haben oder in der Analyse falsch zu liegen, war einfach zu groß. Insgesamt haben Recherche und Schreiben bis zum ersten Lektorat sechs bis acht Wochen in Anspruch genommen. In dieser Zeit war es mir bis auf wenige Ausnahmen kaum möglich, auf anderen Projekten zu arbeiten. Auch ein Punkt, den ich unterschätzt habe, vor allem, weil diese anderen Projekte für mich, viel eher als das Buch, meine Fixkosten decken. Das Stresslevel bis zur Abgabe war hoch und ich eigentlich konstant angespannt. Gleichzeitig zu kommunizieren, dass das Schrieben eines Buches einen jeglichen Raum für andere Arbeiten oder Freizeit nimmt, kommt mir noch heute vermessen vor. Tatsächlich hätte es mir innerhalb des gesamten Prozesses sehr geholfen, mir zu erlauben, mich und meine Arbeit mehr ernst zu nehmen und hierbei nicht nur stolz und dankbar, sondern vor allem wertschätzend mit der eigenen Energie umzugehen.
Die Zweifel
Vor Beginn des Projekts, während des Schreibens und nach der Abgabe habe ich nur wenigen davon erzählt. Der Umgang mit vergleichbaren Themen ist bezeichnend für meinen zurückhaltenden und bescheidenen Umgang mit eigenen Erfolgen und Meilensteinen. Gleichzeitig werde ich bis heute die Zweifel nicht los. Vor der Zusage war mir nicht bewusst, wie ich im Laufe der kommenden Monate meine eigenen Fähigkeiten, die Berechtigung dieses Raumes sowie die grundsätzliche Notwenigkeit dieser Veröffentlichung infrage stellen würde. Einiges anerzogen, einiges antrainiert und internalisiert.
Sich selbst den mentalen Stress zuzutrauen, den eine breitere Veröffentlichung der eigenen Arbeit mit sich bringt, aber diese Angstgefühle rechtfertigen, während man sich mehr oder weniger für ein permanentes öffentlich machen seiner Arbeit entschieden hat. Das war ein steiniger Weg. Und gleichzeitig wurde meine eigene Arbeitsmoral auf die Probe gestellt. Im Speziellen: Korrektheit natürlich, aber auch Durchhaltevermögen und Gewissenhaftigkeit. Bis heute zähle ich sie ganz und gar nicht zu meinen Stärken. Am Ende waren sowohl Schreibprozess und Veröffentlichung nicht so romantisch wie vorgestellt:
Kein Haus in Südfrankreich, keine Lesung und kein großes Brimborium. Vielleicht aber genau das, was diese Arbeit für mich so besonders macht. Durch sie hab ich gelernt, wie ungemein bereichernd es sein kann, wenn diese wichtigen politischen Botschaften so sehr für sich stehen können. Dass es weniger um mich und meine Erfahrungen geht, als um das, was es Lesenden mitgeben kann. Dass ich hoffe, dass so viele junge Menschen wie möglich es lesen, ohne es auf den Bestsellerlisten zu sehen. Dass es genau so viel Raum einnimmt, wie es braucht, um einen kleinen Baustein für eine gleichberechtigtere Zukunft beizutragen.
Die Zukunft
Mit Sicherst ist die Arbeit an der eignen Biografie oder einem Roman noch einmal anders zu betrachten als an einem Buch mit wissenschaftlicher Grundlage. Und dennoch sehne ich mich regelmäßig nach dieser Zeit im November 2020, die nach so viel Durcheinander und Zerstreuung den Fokus ganz klar auf die Verwirklichung einer einzigen Sache gesetzt hat. Sich als freischaffende Person ausschließlich auf ein Projekt konzentrieren zu können, war nicht nur ein großer Luxus, sondern gleichzeitig eine riesige Herausforderung mit einem beinahe holistischem Gefühl.
Ein klares Ziel, ein klarer Ablauf und nur das eigene Arbeiten im Sinn – ich kann mir heute gut vorstellen, auch in Zukunft noch einmal an einem Projekt in der Größenordnung zu arbeiten. Im Rückblick fühle ich mich heute stark und kraftvoll, kreativ und schöpferisch. Gefühle, die mir bei vielen Teilen meiner Arbeit langsam klammheimlich flöten gegangen sind und sich allmählich wieder in meinen Arbeitsalltag integriert haben. Vielleicht habe ich mit „Feminism is for Everyone“ eine neue Form von Meditation für mich entdeckt.