Sorry seems to be the hardest word. Oh ja. Und das nicht nur dann, wenn wir unter Freund*innen oder innerhalb der Beziehung etwas verbockt haben. Sich richtig zu entschuldigen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, setzt voraus, dass der Grund für Unmut und Anklage verstanden wurde. Ein Umstand, der vor allem bei öffentlichen Entschuldigungen der vergangenen Monate nicht immer gegeben schien.
Im Streit um Identitätspolitik und Sag- sowie Unsagbares, drehen sich viele immer wieder um Worte wie Sprachpolizei, Sprachdiktatur oder Wortschöpfungen wie „Wokeness„. Was für mich ein Machtspiel derer bleibt, die nach langer Zeit nicht nur Privilegien, sondern auch Freiheiten zugunsten aller einbüßen müssen, ist nicht nur für Kulturschaffende, Feuilleton oder Politikerinnen zu einem Hindernisparcour geworden. Das öffentliche Auge liest kritisch mit. Soziale Medien haben an so viel Einfluss gewonnen, dass kalkulierte Aufregung in ausgemachte Shitstorms übergehen kann. Und die Angeklagten? Die haben eines oft noch nicht gelernt: Wie zum Henker soll sich richtig entschuldigt werden, wenn das halbe Internet durch Eigenverschulden in Flammen steht?
Erstmalig negativ aufgefallen ist mir das Phänomen der Nicht-Entschuldigung bei einer prominenten Moderatorin. Auch wenn die Medienunternehmerin bis dato eigentlich nicht unbedingt für ihre schwere Kost oder ihren nuancierten Humor bekannt ist, durften Fans und Follower*innen sich einst wundern, als die besagte Moderatorin im Herbst 2019 auf Instagram dazu aufrief, als Mann das Schminken am besten bleiben zu lassen und die Körperpflege auf das nötige Minimum zu reduzieren. Neben empörten Massenreaktionen und diversen Erwähnungen in den Medien von SZ bis Lokalzeitung, gab es vor allem eines: Schwammige Rechtfertigungsversuche und eine Entschuldigung, die keine war. Und das reichte von „Sollte ich mich missverständlich ausgedrückt haben“ bis „Ich bin eine andere Generation“ oder “Was ich sage ist nie politisch“. Sie sei zu alt und mit der Situation überfordert und ja: Ein Shitstorm, der kann überfordern, schlägt nicht selten sogar in die falsche Kerbe oder schwimmt in eine ganz andere Richtung als konstruktive Kritik. Trotzdem glichen ihre Worte als Reaktion auf den Gegenwind eher wie ein kläglicher Versuch der Selbstrettung, als eine Entschuldigung bei denen, die ihre Worte verletzt haben. Vielleicht erinnert ihr euch?
[Thread] Liebe Jasmina Kuhnke, wir verstehen die Kritik. Sie haben recht!
Der Verlauf der Sendung war nicht, wie wir es geplant und uns vorgestellt hatten. In DLI sollen kontroverse Themen unterhaltsam diskutiert werden, dabei darf jeder Gast seine Meinung äußern. Aber… (1/2) https://t.co/QnwD8q2kfr
— WDR (@WDR) January 31, 2021
Auch Kurztexte mit roboterartigen Zügen, frisch ab Werk aus der Marketingabteilung von Medien-und Modehäusern haben sich innerhalb einer unternehmerischen Entschuldigungskultur etabliert. Viel zu oft geht es hierbei um die Sensibilität und das Missverstehen auf der Seite der anderen. Viel zu oft ist vom „anders gemeint haben“ von fadenscheinigen Erklärungen die Rede. Viel zu selten übernehmen Verantwortliche Verantwortung und stehen für Verletzungen ein, machen auch Lösungsansätze oder Konsequenzen zum Teil der Diskussion. Schmerzlich zu sehen war dies zum Beispiel im „Black is Back“-Fall der Elle Deutschland.
Stammeleien, Zynismus und Abschätzigkeit und eine augenscheinliche Flunkerei.
Während berechtigte Kritik und intensives Hinterfragen von Kulturtechniken wie Satire, Stand-Up oder der deutschen Sprache selbst Menschen in der Öffentlichkeit immer wieder dazu zwingt, sich selbst zu hinterfragen, sind wir bei einer Diskussion angelangt, die nur noch wenig mit den eigentlichen Problemen zu tun zu haben scheint.
Dort, wo sich Menschen gecancelt fühlen und sich häufig mit oben genannten Strategien rechtfertigen, hat sich über kurz oder lang eine Debatte um Macht aufgetan. Ausgehend von den Menschen, die ihre eigene Meinungsfreiheit durch die bedroht fühlen, die Opfer von Diskriminierung oder Rassismus sind und gleichzeitig oftmals als Pointen von billigen Witzen und Alltagssprache hinhalten müssen.
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Wie also ist damit umzugehen, dass Menschen immer wieder beklagen, auch 2021 noch nicht mit diskriminierungsfreier Sprache umgehen zu können oder irritiert sind, dass die Diskurse, in denen sie sich einst pudelwohl gefühlt haben, heute nicht mehr ohne Weiteres von ihnen mitbestimmt werden können?
Innerhalb der Diskussion um die eigene Nazivergangenheit hat es zuletzt Emilia von Senger richtig verstanden, sich im Diskurs zu positionieren, Kritik anzunehmen und letztendlich alldem den Raum zu geben, den er braucht. Spannend hierbei war auch die Zeit, die sie sich nahm, um Gehörtes zu reflektieren und in ein differenziertes Statement umzusetzen, welches eigene Verantwortung selbstverständlich einräumte und dabei ganz ohne auf Missverständnisse, den Unwillen der anderen oder eine missglückte Call Out Culture hinzuweisen.
Während wir also kaum in der Lage scheinen zu steuern, wie und in welchem Ausmaß Shitstorms und Feedbackwellen funktionieren und was eine Flut an problematischen Reaktionen auf Geschehnisse mit sich bringen kann, dürfen wir lernen, uns im Falle eines Falles adäquat zu entschuldigen.
Was auch im Privaten lange erlernt sein will und mitunter unangenehme Pausen und ein Herumdrucksen am Telefon mit sich bringt, scheint in digitalen Räumen noch immer eine fehlende und respektvolle Höflichkeit zu sein. Ein neu erlerntes Werkzeug, mit welchem sich vor allem die auseinandersetzen sollten, die bislang darauf gepocht haben, mit Verletzung A bis Z schon irgendwie davonkommen zu können.
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Screenshot // Tupoka Ogette (Instagram)
Wie ein guter Anfang aussehen könnte? Die Kritik offen zu legen und sich Zeit für die Tiefe der Kritik zu nehmen. Zu verinnerlichen, was gemeint ist. Vielleicht hilft Betroffenen auch ein Eingeständnis von Rückständigkeit oder missglückten Kontrollmechanismen. Was wir tun können? Den kritisierten Raum für Verzeihliches geben und ihnen zuhören.
Auch, wenn wir uns lieber aufgeregt hätten. Dann ist in der TAZ vielleicht auch irgendwann nicht mehr dir Rede vom „Woken Dorf“, sondern viel eher von einer Debattenkultur, in der die Debatte mit einer Entschuldigung anfängt, anstatt mit einem Anzweifeln der Meinungsfreiheit.