Schon öfter habe ich mich an dieser Stelle als eine Person geoutet, die am liebsten viel mehr lesen möchte, am Ende des Tages aber doch wieder nicht dazu kommt. Ich tue mich bei Zeiten richtig schwer mit neuen Büchern, lege sie gerne auf meinen Stapel, um sie nie wieder anzurühren. Lesen kommt bei mir in Phasen – so wie vieles andere auch. In letzter Zeit habe ich aber nicht nur gemerkt, dass vor allem englische Literatur es mir besonders angetan hat, sondern sich vor allem ein Thema durch meine Buch-Favoriten wie kein anderes zieht:
Ich liebe es, über weibliche Freundinnenschaften zu lesen. Ich verschlinge Bücher über Dynamiken unter Frauen und werde den Teufel tun, in naher Zukunft auch nur ein Buch in die Hand zu nehmen, in dem ein heterosexueller Mann über Affären oder Liebeswirkungen schreibt. Diese Art von Buch mochte ich wohl noch nie, das weiß ich jetzt. Und so kann ich zielsicher und bestimmt all das raussuchen, was mich im Urlaub, auf dem Balkon oder am Sonntagmorgen begleiten kann. Es folgt eine seichte Leseliste für den Sommer mit wärmsten Empfehlungen für den Zeitvertreib, der sich bei diesen Schmuckstücken fast so schwerelos wie die liebste Comfort-Serie auf Netflix anfühlt.
GHOSTS – DOLLY ALDERTON |
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Dieses Buch hat mein Verständnis von einem Happy End grundlegend verändert. Während ich auf einen bestimmten Ausgang wartete, verlor ich mich zwischendurch so sehr in einer Welt aus Dating, Dinner Parties, Familienstress und Hochzeitsfeiern, dass es sich glatt so anfühlte, als würde mir eine Freundin berichten, was in den letzten Wochen passiert ist. Dolly Alderton schafft ein Millennial-Porträt mit einem realistischen Take auf gnadenlos alles, was dazugehört.
Und dabei ist sie, (oder ihre Protagonistin Nina) aus Versehen oder gewollt, politisch und spricht immer wieder an, in welchem Umfang es sich in Sachen Dating und heterosexuelle Beziehungen um politische Kontexte handelt, mit denen sich Männer eben auch beschäftigen sollten. Ganz ohne Dogmatismus und erhobenen Zeigefinger, dafür sehr intelligent mit Humor und Augenzwinkern. Und was das Happy End angeht, da habe ich mein Bedürfnis ein für alle Mal grundsätzlich verändern können.
“Being a heterosexual woman who loved men meant being a translator for their emotions, a palliative nurse for their pride and a hostage negotiator for their egos.”
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LISA TADDEO – THREE WOMAN |
Auch wenn auf dem Einband steht, dass es sich um das Verlangen und die Begierde dreier Frau handelt, musste ich nach dem zweiten Lesen das Narrativ der drei Geschichten in „Three Woman“ anderes beschreiben. Es sind wahre Geschichte von Machtlosigkeit und vom ausgeliefert sein. Von Schmerz im Kontext Verlangen, von Verlangen im Kontext bestehender Machtverhältnisse. Wie kein anderes Buch hat mich dieses wütend und lahm zugleich gemacht.
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Ich habe mich verbundener denn je mit all denen, die sich innerhalb ihrer Liebe, ihrer Affäre ausgeliefert und machtlos fühlen, gefühlt. Diese unglaublich tiefgehenden Recherchen und szeniastischen Umschreibungen wechseln sich immer wieder ab, sodass man eigentlich drei Bücher, deren Parallelen erst gegen Mitte immer deutlicher werden, gleichzeitig liest. Auch wenn die Geschichten von Liebe, Sex, Lust und Macht eher auf der düstereren Seite anzusiedeln sind, ist Three Woman eine perfekte Sommer-Lektüre für diejenigen, die sich wieder richtig fesseln lassen wollen und das ohne einen Hauch von „Fifty Stades of Grey“.
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QUEENIE – CANDICE B. WILLIAMS |
Meinen ersten Empfehlungen fehlt es für mich persönlich noch ein wenig an identifikatorischer Kraft. Erzählt wird stets aus weißen, westlichen Perspektiven. Als ich Queenie das erste Mal in die Hand nahm, konnte ich es für die folgenden Tage nicht weglegen. Auch dieses Buch reiht sich in die Riege der Millennial-Dating-Geschichten ein. Besonders gekonnt allerdings schafft es Williams, die Interjektionen Race und psychische Gesundheit einzubauen. Ich habe lange nach einem Buch wie diesem hier gesucht, welches humorvoll und leicht zugleich, jedoch ohne albern zu sein, eine Lebensrealität abbildet, mit der ich mich identifizieren kann. Es ist ein Buch für jede*n die*der Fan von urbanen narrativen Dating-Stories, Druck von der Arbeit oder Geschichten über Heilung und Selbstakzeptanz ist.
EVERYTHING I KNOW ABOUT LOVE – DOLLY ALDERTON |
Ob ich ein Fan bin? Spätestens jetzt ist es wohl allen hier klar. Ich warte schon sehnsüchtig auf ein nächstes Dolly-Alderten-Buch und kann mich noch nicht genau entscheiden, welches von beiden ich bisher lieber mochte. Everything i Know about Love ist wohl aber das erste autobiografische Stück, das mich abgeholt hat − und dabei kannte ich die Britin mit einem Hang zur herzhaften Küche vorher gar nicht. Ich bin für alle Denkanstöße aus einer Single-Perspektive, die einer heteronormativen Welt den Spiegel vorhalten, ohne anklagend zu sein, dankbar.
“I would like to pause the story a moment to talk about ‘nothing will change’. I’ve heard it said to me repeatedly by women I love during my twenties when they move in with boyfriends, get engaged, move abroad, get married, get pregnant. ‘Nothing will change.’ It drives me bananas. Everything will change. Everything will change. The love we have for each other stays the same, but the format, the tone, the regularity and the intimacy of our friendship will change for ever.”
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Und gleichzeitig kann es teilweise richtig kitschig, sexy, amüsant und verträumt sein. Und während ich zwischendurch gedacht habe „Nein, das kann nicht alles einem Menschen passieren“ war das Buch vorbei und es kam mir nichts selbstverständlicher vor, als wäre das eben Gelesene die Lebensgeschichte einer talentierten und populären Millennial-Autorin, die zwischen wilden Sex-Dates in New York, betrunkenen Eskapaden und belastenden Therapiestunden schon so einiges erlebt hat.
1000 SERPENTINEN ANGST – OLIVIA WENZEL |
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Zugegeben, mich hat es rund die Hälfte des Buches gekostet, bis ich mit dem Schreibstil von Olivia Wenzel etwas anfangen konnte und trotzdem konnte ich es zwischendurch nur für wenige Tage beiseitelegen. Immer wieder bin ich zu diesem hochgelobten Buch zurückgekommen. Es hat mich stets überrascht und in den Bann gerissen, auf welche brutal und gleichzeitig feinsinnige Art hier mit inneren Kämpfen umgegangen wird. Die Dialogform hat mich anfangs nur irritiert, bis ich gemerkt habe, dass ich manchmal ganz Konversationen mit mir selbst führe, ähnliche Ängste mit mir trage und ähnlich verhandle.
„Was gäbe ich dafür,
meiner Großmutter und meiner Mutter
zu einem unmöglichen Zeitpunkt zu begegnen,
an dem wir alle 15 Jahre alt wären.Was hätten wir einander zu erzählen,
was könnten wir einander Anvertrauen?
Wären wir Freundinnen?“Olivia Wenzel, 1000 Serpentinen Angst
Es erzählt die Geschichte über Angst und Erleben als Schwarze Frau in Ostdeutschland, auf dem Fernsehturm, in New Yorker Bars und ist gespickt mich ganz expliziten Momenten und ganz allgemeinen Lebensgefühlen, die wie Serpentinen ungeordnet und kreuz und quer verlaufen. Fast ein bisschen zu heavy, um leichte Sommerlektüre zu sein und doch hat es irgendwie die richtige Geschwindigkeit, die es für meinen Sommer so unentbehrlich gemacht hat. Die Reise nimmt Fahrt auf und zwischendurch immer wieder abrupte Enden.