Das Sofa-Dilemma: Von der Unmöglichkeit, eine Couch zu finden

Ich stand im Wohnzimmer und schaute auf das Übel, das sich über die vergangenen Monate vor meinen Augen ausgebreitet hatte: Eine durchgelegene Sofaseite, die sich in Form einer erschreckend tiefen Kuhle präsentierte und der Ursprung meiner abendlichen Hüftschmerzen war. Immerhin hatte ich ihn jetzt aber wenigstens gefunden, den Grund für das ewige Ziepen auf meiner linken Seite — die gute Nachricht: Es waren doch nicht die von mir befürchteten Alterserscheinungen. Die schlechte Nachricht: Die Suche nach einem neuen Sofa musste nun endlich ein erfolgreiches Ende finden — zumindest, wenn ich „The Office“ während der kommenden Herbstabende ohne Schmerzen binge-watchen wollen würde.

Dass ich Dinge auf den letztmöglichen Zeitpunkt schiebe, kam in der Vergangenheit häufiger vor, als mir lieb war. Zwischen „vergessenen“ Arztterminen und nie stattgefundenen Treffen mit entfernten Bekannten habe ich mich zu einer wahren Meisterin der Prokrastination entwickelt. Die Nummer mit dem Sofa hat aber trotzdem ganz neue Sphären erreicht, eine Entscheidung schiebe ich mittlerweile immerhin seit guten 1,5 Jahren vor mir her. Nicht einmal der spitze Kommentar meines Vaters, der sich — ganz nebenbei erwähnt — normalerweise kein bisschen um Inneneinrichtung schert, im vergangenen Sommer („Schöne Wohnung, nur das Wohnzimmer sieht noch immer wie eine Studentenbude aus“) oder das Pandemie-Jahr samt diversen Lockdowns brachten mich dazu, eine endgültige Sofa-Entscheidung zu treffen.

Zu meiner Verteidigung möchte ich an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass die ganze Sache gar nicht so einfach ist, wie sie klingen mag. Zunächst einmal ist da die riesige Auswahl, die zumindest auf den ersten Blick nie enden zu wollen scheint. Hat man aber erst einmal die Kriterien angeklickt („Schlaffunktion“, „Cremefarben“ (oder „braunes Leder“), „Chromfüße“, „L-Form“, „möglichst passend für ein kleines Wohnzimmer“), schrumpft das Sofa-Universum in einer Millisekunde auf Modelle, die entweder a) wirklich nicht schön sind oder b) in ungreifbaren Preissphären schweben. Nun gut, natürlich wäre es eine Möglichkeit, eiskalt auf die Schlaffunktion zu verzichten und künftigen Besuch einfach auf aufblasbare Betten zu verfrachten (es ist ja immerhin nicht mein Schlaf, der bei jeder Bewegung durch gefühlte Wellengänge Stärke 8 gestört wird), so wirklich möchte ich dieses Schlaf-Erlebnis aber niemandem mehr zumuten. Auch wenn mich diese Variante zumindest in meinen unrealistischen Tagträumen näher an meine Objekte der Begierde mit den klangvollen Namen „Camaleonda“ oder „DS-1025“ bringen.

 
 
 
 
 
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Ja, ja, ich weiß schon, all diese hübschen Sofas von De Sede oder Mario Bellini hat man zuletzt zuhauf gesehen, es ist also schon fast ein bisschen „cringy“, dass ich noch immer zehn Minuten an ihnen hängen bleibe, sobald sie auf meinem Instagram-Feed aufploppen. „Neue Statussymbole“ nannte die britische Vogue jene Designermodelle im vergangenen März und wenn schon die Vogue darüber schreibt, sollte man vielleicht endlich aufhören, auf Pamono nach Vintage-Exemplaren zu suchen (falls aber dennoch jemand 20.000 Euro übrig hätte: Meine bevorzugten „Soriana“-Farben sind Creme und Braun).

[typedjs]So stehe ich also jedes Mal, wenn ich die Kuhle argwöhnisch betrachte, vor dem Sofa und werde ganz plötzlich richtig weich und denke an all die schönen Zeiten, die wir gemeinsam hatten. Wie bloß soll ich all das irgendwann einfach so vor der Tür abstellen oder an eine völlig fremde Person abgeben? [/typedjs]

Neben den Auswahl- und Kostenaspekten wäre da aber noch ein weiterer Punkt, der mich bisher von einer endgültigen Entscheidung abhält, denn natürlich breitet sich beim Anblick meines ersten eigenen Sofas jede Menge Mitleid, gepaart mit fast unaushaltbarer Nostalgie, in mir aus. Klar, das Pandemie-Jahr hat wohl vielen Menschen gezeigt, dass eine gute Sitzecke viel wert ist, aber eigentlich war so eine Couch doch schon vor Corona von besonderer Bedeutung — zumindest in meinem Fall. So stehe ich also jedes Mal, wenn ich die Kuhle argwöhnisch betrachte, vor dem Sofa und werde ganz plötzlich richtig weich: Ich denke an all die schönen Zeiten, die wir gemeinsam hatten (zum Beispiel an den 30. meines Freundes, bei dem wir „Werwolf“ spielten und ich mich vor lauter Betrunkenheit verriet, weil sich alles drehte, sobald ich die Augen schloss), an all die Übernachtungsgäste, mit denen ich am nächsten Morgen am Frühstückstisch saß und an die vielen Filmabende, die mir neben schönen Erinnerungen auch reichlich Schokoladenflecken bescherten. Wie bloß soll ich all das irgendwann einfach so vor der Tür abstellen oder an eine völlig fremde Person abgeben? Ganz besonders dann, wenn sich alle anderen Lösungen gerade noch nach nichts richtig Festem, sondern bloß einer kurzweiligen Affäre anfühlen?

Im Juni 2020 schrieb Camille Charrière, die Suche nach dem richtigen Sofa sei wie die Suche nach „Mr. Right“. Und irgendwie kann ich diese Aussage sogar verstehen, auch wenn sie mir nicht wirklich weiterhilft: Meine Beziehung hält nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit an und dass es überhaupt dazu kam, passierte auch eher „einfach so“. Ginge ich die Suche nach meinem Für-immer-Sofa ähnlich wie mein Beziehungsleben an, blieben mir also zwei Möglichkeiten: Entweder halte ich weiterhin an meinem alten Sofa fest und akzeptierte die abendlichen Hüftschmerzen auf ewig oder ich warte ab, bis mir mein Traumsofa aus heiterem Himmel begegnet. So wirklich realistisch erscheint mir derzeit keine der beiden Lösungen, bekannterweise soll man die Hoffnung ja aber nie aufgeben — auch nicht, wenn es bloß um ein Sofa geht.

 
 
 
 
 
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2 Kommentare

  1. ANNE

    für die neue wohnung wurde ein sofa von fest amsterdam angeschafft – riesige farb- und materialauswahl. unglaublich bequem (schlafen, sitzen, liegen), preis/leistung ok, transport von holland (immerhin einigermassen lokal produziert dort). kann ich wärmstens empfehlen!

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