Ein Wahnsinn. Da gehe ich in die Wohnungen von Freundinnen und was erfüllt den Raum? Der Duft einer 70,00 Euro Duftkerze natürlich. In der Küche riecht es ganz leicht nach Bioladen. Im Bad stehen noch mehr Kerzen, ätherische Öle und sowieso: Wo man hinschaut, sieht nicht nur alles schnieke und hübsch aus, alles ist auch noch blitzsauber. Es geht schon wieder um Haushalt und Sauberkeit? Ja. Denn auch wenn es kein Geheimnis ist, dass ich weit davon entfernt bin, mein Leben im Griff zu haben, hat sich in mir ein Thema breitgemacht, das sich so richtig nicht verabschieden mag. Während mein Geschmack sich festigt und ich mich zu Hause pudelwohl fühlen, fühlt sich mein Sinn für Ordnung an, als wäre er seit Jahren immer wieder im Pubertäts-Modus.
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So einige Leute haben es im Urin. Für sie hat jeder Gegenstand ein Zuhause, sie haben Marie Kondo internalisiert, sie leben ihr System. Ich war noch nie so. Ich war immer eine Freundin des gemütlichen Chaos, was sich in der Realität dann zwar nie so richtig gut anfühlen wollte, aber sei es drum. Bis heute hat kein Gegenstand ein Zuhause, nur temporäre Unterkünfte. Und bis heute räume ich mir wie eine Besessene selber hinterher, immer frustriert vom Status Quo, wenn ich mal nicht einen ganzen halben Tag Arbeit hineingesteckt habe.
Wenn man so einen Tag im Homeoffice verbringt, sammelt sich in Küche und Wohnzimmer so viel Kram an, als hätte man sich kurze Zeit in eine WG verirrt. Ständig ist Abwasch in der Spüle, irgendwie ist es nie richtig sauber, aber es fühlt sich auch fast niemand verantwortlich. Nur, dass es kein Schamgefühl mehr gibt, ist neu. Es ist eben nur mein Dreck, nicht deiner. Basta. Und über den Sommer eskaliert die Lage dann vollends. Ist man nie zu Hause, stapeln sich Outfits im Schlafzimmer und Teller auf dem Couchtisch. Da ist ja keine Zeit für einen Großputz und für warum auch, wenn man doch sowieso nur draußen lümmelt.
Mal im Ernst. Ich dachte lange Zeit, dass mit meinem Wohnkonzept auch mein Sinn für Ordnung einmal erwachsen werden würde. Dass er sich irgendwann einstellt, dieser Automatismus und mir ins Blut übergeht. Dass alles gut duftet und fein aussieht und dass ich zu denen gehöre, die das mit Leichtigkeit wegstecken. Hoppla. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich selbst ein Ein-Personen-Haushalt an meine alltäglichen Grenzen bringen würde und das, obwohl ich mir so sicher war, dass die richtige Wohnung das Problem von selber lösen würde. Heute, da kann ich mir nicht mehr einreden, ein kreatives Chaos gemütlich zu finden. Da steht meine Realität im direkten Kontrast zu meinem Bedürfnis nach etwas Ruhe im Auge und Aesop in der Nase. Komisch aber, dass sich mein Hirn so richtig nicht auf diese Neuerung einstellen mag.
So weiß ich zwar heute, dass ich wohl kein ordentlicher Typ Mensch bin, aber auch, dass ich nicht zu den absoluten Chaotinnen gehöre. Wenn jemand zu Besuch kommt, dann soll es aber gefälligst schick aussehen. Klar, das ist meine elterliche Erziehung, die durchkommt. Ein unerträgliches Zwischending. Denn Aufräumen bringt mir keine Freude und auch wenn das Ergebnis spitze ist, empfinde ich eine Räumerei als Zeitverschwendung, wenn ich stattdessen doch spazieren, schlafen, kochen könnte und alles nach kurzer Zeit sowieso wieder den Bach hinunter geht. Immer wieder hat mein Wohlbefinden einen kleinen Streit mit meinem Zeitplan. Und doch klappt es gut, die Scheuklappen herauszuholen, wenn ich wieder dabei bin, das latente Chaos doch noch einen weiteren Tag zu ignorieren − ein Dilemma.
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Ich träume von einem perfekten Haushalt wie von einem Lottogewinn. Weil ich heute verstanden habe, dass mir eine makellose Küchenzeile oder dieser immer gesaugte Boden wohl nie zuteilwird. So gerne würde ich hierfür mal hinter die undurchsichtigen Instagram-Kulissen gucken. So ins echte alltägliche Leben. „Wie machen die Leute das bloß?“, frage ich mich. Und ob das immer angeboren ist oder wie man es lernt. Und wann die Zeit dafür bleibt, vor allem, wenn man nicht nur für sich selber rödelt. Neben der Finanzplanung kann ich mir doch nicht auch noch einen Ratgeber über Ordnung holen. Das ginge mir dann doch zu weit. Vielleicht ist es aber auch nur eine weitere Sprosse auf der Leiter zur Selbstakzeptanz. Wenn es darum geht, dann doch irgendwann bei sich anzukommen, haben auch die eigenen vier Wände wohl irgendwann eine Übereinkunft verdient. Ganz ohne Scham und Zwänge. Außer wenn es klingelt. Dann wird noch schnell Staub gewischt.