Zwei Wochen lang vertrete ich eine Kollegin in einem leitenden Redaktionsjob. Dabei wird nicht nur das Trauma der Festanstellung wachgerüttelt, sondern auch die Frage, ob diese Perspektive auf das Berufsleben wirklich für mich gemacht ist.
Um sich dem Astrologie-Trend zumindest ein klitzekleines bisschen zu verschreiben, las ich im vergangenen Jahr alle Eigenschaften, die Löwen haben sollen. Hängengeblieben bin ich bei „G“ wie gefallsüchtig, „S“ wie stolz und „F“ wie führungssicher. Das ist durchaus interessant, denn all das sind Eigenschaften, die ich mir grundsätzlich schon zuschreiben kann, deren Existenz mir allerdings erst bewusst wurde, als ich sie auf horoskope.ch las. Das Feedback von freien Kolleginnen war schon oft, dass sie mich in einer projektabhängigen, leitenden Position sehen könnten. Ich fühlte mich geschmeichelt, bis das Hochstaplersyndrom anklopfte und mich auf den Boden der vermeintlichen Tatsachen zurückzuholen vermochte. Ich und leitend − eine absurde Vorstellung und doch irgendwie verlockend. Passt das nicht auch super, wenn man gleichzeitig stolz und gefallsüchtig ist?
In meinem Arbeitsleben habe ich vergleichsweise wenige Phasen durchlaufen. Ich war lange Praktikantin (schlecht bezahlt und ungeliebt), dann Auszubildende (schlecht bezahlt mit Kündigungsschutz). Während des Studiums schlitterte ich dann in die Selbstständigkeit, die mir schnell versicherte, dass es so schnell keinen Weg zurück geben würde. Verantwortung für das eigene Arbeiten, flexible Arbeitszeiten, wertschätzende Kund*innen: All das prasselte auf mich ein und erfüllte mich nach latent traumatischen Lehrjahren mit Stolz. Vor allem in meinen vorläufigen Praktika hatte ich die Belle Etage von ihrer gröberen Seite erlebt. Viel Stress und Druck, wenig Zeit und Geduld, um zu lehren und Fehler zu verzeihen. Eine angespannte Arbeitsatmosphäre und ein noch angespannteres Verhältnis unter Mitarbeitenden.
Auch wenn ich heute ganz andere Betriebe kenne, solche mit viel Wertschätzung und Sanftheit, Zeit zum Reden und Rücksicht, sollte mich diese Lebensphase bis heute prägen. Denn auch wenn es bald acht Jahre her ist, bleibt die Erinnerung an schlechte Stimmung und Überstunden, selbst wenn es durch Verständnis und Nachsicht erweitert wurde. Die Dynamiken, denen eine Führungsposition unterliegt, zu verstehen, hat lange gedauert und ist vielleicht aktueller denn je. Denn während der Abwesenheit einer Kollegin springe ich ein und helfe aus, ein Team aus mehreren Festangestellten und einigen Freien zu leiten. Zwei nervöse Wochen lang. Und zwei Wochen voller Zuversicht, Euphorie und Zweifel.
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Ich habe schnell gemerkt, dass ich es dann doch lieber im Team mochte als anfangs gedacht. Mich darum zu kümmern, dass es allen gut geht, für die beteiligten Interessen einzustehen und vor weiteren Vorgesetzten zu vertreten, das ist eine gute Sache. So sitze ich also zu Hause und führe am Tag ohne Weiteres fünf Telefonate, die es in sich haben, aber immer richtig gut tun und mich zufrieden stimmen. Auch Verantwortung zu haben, ist eine Wonne. Als Kontrollfreak bestimme ich überaus gerne und habe gerne das letzte Wort. Klasse, wenn das teilweise auch auf deiner täglichen To-Do-Liste steht. Und es liegt mir, anderen ein gutes Gefühl zu geben. Vielleicht ist es die Gefallsucht, aber dennoch freut es mich, wenn ich Menschen den Lohnarbeitstag besser machen kann, weil ich helfen oder zuhören konnte.
Und die Kehrseite? Ich bin, so ehrlich muss man sein, nur Vertretung und kann den Laden guten Gewissens nach zwei Wochen verlassen, meinen freien Job behalten und auch die lieben Kolleg*innen wiedersehen. Die Verantwortung geht, die Freude und auch eine Arbeit, die ich über alles schätze, bleiben. Was mit der Vertretung geht, ist die Dauerbeschallung, das Rundum-sorglos-Telefon und der Berg an To-Dos, der sich neben dem Tagesgeschäft auf der eigenen Agenda nicht so richtig abarbeiten mag. Ich würde mich als mittel organisiert, mittel ambitioniert und mittel perfektionistisch beschreiben. Ich merke heute, dass sich das zusammen mit einer Führungsposition nicht so gut verträgt. Schon denkbar, dass ich am Ende die werden könnte, die schlechte Stimmung und Druck verbreitet, statt das Steh-Auf-Männchen des Teams zu bleiben. In den letzten Wochen verging kein Tag, an dem ich nicht 12 Stunden gearbeitet habe. Grundsätzlich ist es ein Stresspensum, mit dem ich mich lange nicht mehr schmücke und das ich im Alltag am liebsten vermeiden möchte. Ein Automatismus, der sich, ob selbstständig oder fest, aber nur all’ zu schnell in den Alltag einnistet, wenn man selbst oder entsprechende Vorgesetzte nicht genügend acht geben.
Personalverantwortung, mehr Geld, ein Sprung auf der Karriereleiter. So sehr ich lange Zeit das Gefühl hatte, all diese Dinge vielleicht doch benötigen zu müssen, so sehr freue ich mich nach zwei Wochen wieder Menschen das Zepter übernehmen zu lassen, die nicht nur wissen, was sie tun, sondern auch mit all den Abstrichen, die man hier und da machen muss, weniger Probleme haben als ich. Aushelfen tue ich, wo ich nur kann. Mich wieder fest einem Job zu verschreiben und dabei auch die Führung zu übernehmen, vertage ich vorerst jedoch lieber auf ungewisse Zukunft.