Wenn wir über Mutterschaft sprechen, dann ist es unbedingt nötig, das Schöne ebenso wie das Schlimme zu erwähnen. Und auch jene mitzudenken, die (vielleicht) gar keine Kinder wollen.
Neulich habe ich darüber geschrieben, dass mir Mutterschaft gerade relativ leicht fällt. Ich möchte das kurz erklären, denn ein Leben mit Kindern ist absolut niemals ein Klacks. Es ist kräftezehrend. Zuweilen überfordernd. Und obwohl ich es kaum für möglich gehalten hätte, stellt dieses Elternsein mit all seiner Verantwortung so gut wie alles auf den Kopf, was zuvor als gegeben galt. Es ist unberechenbar und rüttelt an Beziehungen, nicht nur an jenen der romantischen Art. Auch Freundschaften verändern sich. Man selbst wird empfindsamer, zart und ängstlich. Schon allein deshalb verstehe ich das Lebensmodell „freiwillig kinderfrei“ als ausnahmslos gleichwertig. Ich glaube auch nicht, dass mein eigenes Leben ohne Kinder weniger schön wäre. Vermutlich bloß anders. Genau so wie es jetzt ist, liebe ich es aber sehr. Das bedeutet nicht, dass ich nie weine. Oder in die Nacht hinaus schreie. Dass ich mich nie ungerecht behandelt oder in dieser unsäglichen Monotonie des Alltags mit Baby gefangen fühlen würde. Es ist nur so, dass ich sehr viel Glück habe. Ich bin im Moment nicht über die Maße müde oder gestresst, weil das Baby gut schläft und ich mir die Care Arbeit mit dem Papa von Beginn an teile, damit wir gleichberechtigt lohnarbeiten können. Ich kann es mir leisten, finanziell unabhängig zu sein. Der große Bruder ist schon fast acht, es muss also kein weiteres Kleinkind betreut werden. Ich bin psychisch stabil. Ich bin kein pflegendes Elternteil. Muss selbst nicht gepflegt werden. Und: Diesmal bin ich nicht getrennt erziehend, sondern lebe im Patchwork-Modell. Natürlich darf man trotz all dieser Privilegien jederzeit jammern. Ich könnte zum Beispiel auch Großeltern in der Stadt gebrauchen, ein Erbe für die Kinder oder einen Garten, oh, und einen sicheren Kita Platz. Aber gerade, in dieser Woche, würde es sich falsch anfühlen, mehr zu wollen. Den Raum für ernste Gedanken überlasse ich lieber jenen, die mehr zu erzählen haben. Die wirklich struggeln. Ihr seid krasse Legenden, ich sehe euch, ich höre euch zu, ich bewundere euch. Keine Ahnung, ob ich nochmal so stark wäre wie ihr. Keine Ahnung, wann meine nächste Krise kommt. Aber wenn sie da ist, sage ich Bescheid.
Bis dahin möchte ich gerne eine Handvoll Bücher empfehlen, die ich in den vergangen Jahren gelesen habe. Solche, die Mutterschaft in all ihren Facetten ehrlich besprechen. Denn ich werde immer wieder gefragt: „Wie ist das so?“ Oder: „Soll ich es (auch) wagen?“
Eine klare Antwort würde ich nie geben wollen, dazu sind wir, unsere Leben und Umstände, viel zu verschieden. Den Kopf mit unterschiedlichen Perspektiven zu füttern, kann aber nicht schaden. Diese hier haben mir besonders gefallen:
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Aber vorher noch schnell ein kleiner Tipp, den mir Paulina Czienskowski gegeben hat: Im Essay „Bis auf die Milch“ spricht Lene Albrecht über schreibende Mütter, jetzt wurde er für Deutschlandfunkkultur eingelesen. Vielleicht habe ich während des Hörens geweint – auf die gute Weise.
Hier entlang geht es zum gelesenen Essay. |
Und noch ein kleiner Hinweis auf ein Seminar, das mir nun mehrmals aus erster Hand ans Herz gelegt wurde.
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Hier findet ihr Informationen zu den (Online-) Seminaren von „Die Kinderfrage“. Am 22.09. findet der nächste Kurs statt. |
1. Das Unwohlsein der modernen Mutter von Mareice Kaiser
„Versorgerin, Businesswoman, Mom I’d like to fuck – Mütter sollen heute alles sein. Dass darunter ihr Wohlbefinden leidet, ist kein Wunder. Mareice Kaiser, Journalistin und selbst Mutter, stellt immer wieder fest: Das Mutterideal ist unerreichbar und voller Widersprüche. Nichts kann man richtig machen und niemandem etwas recht. Mutterschaft berührt dabei, natürlich, jeden Lebensbereich: Denn egal, ob es um Arbeit, Geld, Sex, Körper, Psyche oder Liebe geht – Stereotype, Klischees und gesellschaftlichen Druck gibt es überall, auf Instagram, im Bett und im Büro. Mareice Kaiser zeigt, wo Mütter heute stehen: noch immer öfter am Herd als in den Chefetagen. Und, wo sie stehen sollten: Dort, wo sie selbst sich sehen – frei und selbstbestimmt.“
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2. Mutterschaft von Sheila Heti, übersetzt von Thomas Überhoff
„Ein Buch über eine der wichtigsten Fragen im Leben von Frauen und Männern. Was wird gewonnen und was geht verloren, wenn eine Frau sich entschließt, ein Kind zu bekommen? In ihren späten 30ern, als die Freundinnen sich fragen, wann sie endlich Mutter werden, fragt Heti sich, ob sie es überhaupt werden will. Mal hierhin, mal dorthin gezogen von ihren Mitmenschen, ihrem Partner und der von ihr empfundenen Verpflichtung gegenüber ihren jüdischen Vorfahren, versucht sie eine weise und moralische Entscheidung zu treffen. «Mutterschaft» ist mutig, tief empfunden und bereichert jede Debatte über Weiblichkeit, Elternschaft und unseren Lebenssinn. Für alle, die überlegen, ein Kind zu bekommen, die schon eins haben, die keines wollten und die nicht wissen, was sie wollen. Die New York Times listete die Autorin unter den 15 bedeutsamsten Frauen, die bestimmen, wie wir im 21. Jahrhundert Literatur lesen und schreiben werden. So berührend wie einfallsreich, so humorvoll wie klug, zeigt «Mutterschaft», warum die Autorin diesen Platz verdient hat.“
3. Die Mutter aller Fragen von Rebecca Solnit, übersetzt von Kirsten Riesselmann
„»Warum haben Sie keine Kinder?« Diese »Mutter aller Fragen« wird Rebecca Solnit hartnäckig von Journalisten gestellt, die sich mehr für ihren Bauch als für ihre Bücher interessieren. Warum gilt Mutterschaft noch immer als Schlüssel zur weiblichen Identität? Die Autorin findet die Antwort darauf in der Ideologie des Glücks und tritt dafür ein, lieber nach Sinn als nach Glück zu streben. Außerdem erklärt sie in ihren Essays, warum die Geschichte des Schweigens mit der Geschichte der Frauen untrennbar verknüpft ist, warum fünfjährige Jungen auf rosa Spielzeug lieber verzichten, und nennt 80 Bücher, die keine Frau lesen sollte. Sie schreibt über Männer, die Feministen und Männer, die Vergewaltiger sind, und setzt sich gegen jegliches Schubladendenken zur Wehr. Wenn Männer mir die Welt erklären sorgte weltweit für Furore – in ihren neuen Essays setzt Rebecca Solnit ebenso scharfsichtig wie humorvoll ihre Erkundung der heutigen Geschlechterverhältnisse fort. Ein wichtiges, Mut machendes Buch aus dezidiert feministischer Perspektive, über und für alle, die Geschlechteridentitäten infrage stellen und für eine freiere Welt eintreten.“
4. Lebenswerk von Rachel Cusk, übersetzt von Eva Bonné
„Mutterschaft ist eine paradoxe Erfahrung, zugleich prosaisch und rätselhaft, monoton und bizarr, komisch und katastrophisch. Mutterschaft bedeutet, die Hauptrolle in einem dramatischen Schauspiel menschlicher Existenz zu spielen, zu dem allerdings kaum Zuschauer erscheinen. Es ist ein Prozess, in dem sich ein gewöhnliches Leben in ein Chaos aus mächtigen Leidenschaften verwandelt. Rachel Cusk erzählt ein Jahr aus ihrem Leben als Mutter, und ihr Bericht wird zu vielen Geschichten – zu einem Abgesang auf Freiheit, Schlaf und Zeit, zu einer Lektion in Demut und harter Arbeit, zu einer Reise zu den Urgründen der Liebe, zu einer Mediation über Wahnsinn und Sterblichkeit und zu einer éducation sentimentale über Babys, Stillen, schlechte Ratgeberbücher, Krabbelgruppen und Schreiheulen. Und darüber, niemals, niemals einen Moment für sich selbst zu haben.“
5. Stilleben von Antonia Baum – über die Angst, als Mutter unsichtbar zu werden
„Antonia Baum führt das typische Leben einer jungen, privilegierten Frau in der Großstadt: Sie hat einen interessanten Job, führt eine feste Beziehung und genießt die urbanen Annehmlichkeiten. Ihre Umgebung in einem sozial schwachen Bezirk kann sie dabei weitgehend ausblenden. Dann erwartet sie ein Kind – und plötzlich ist ihr Blick auf ihr Leben völlig verändert, und sie bekommt Angst. Nicht nur scheint ihr Platz in der Gesellschaft plötzlich unklar zu sein, ihre Identität ist in Gefahr und die Nachbarn wirken bedrohlich. In ihrem Buch macht Antonia Baum das Persönliche politisch, sie schildert ihr Erleben und kommt dabei auf die ganz großen gesellschaftlichen Themen: wie Erfolgreiche und Abgehängte nebeneinanderher leben , wie man Mutterschaft und ein eigenes Leben verbindet, weshalb man sich mit Kind plötzlich in altmodischen Beziehungsmodellen wiederfindet und warum Mütter es eigentlich niemandem recht machen können.“
6. Chillig mit Baby von Julia Knörnschild
„Julia Knörnschild, bekannt aus dem erfolgreichen Eltern-Podcast »Mama Lauda«, verrät, wie man chillig durch die Schwangerschaft, die Geburt und die ersten Monate mit Kind kommt, und das einzigartig offen, lustig und vor allem: brutal ehrlich!
Vom Schwangerschaftstest über die Geburt bis zum Wochenbett und dem ersten Geburtstag des Kindes. Wie man die »Mutti-WhatsApp«-Gruppe überlebt, was man zu Schwangeren auf keinen Fall sagen darf, wie man mit »Warts-mal-ab«-Müttern umgeht und noch viel mehr versammelt Julia Knörnschild in ihrem Buch für angehende Eltern, für Eltern von Kleinkindern und für alle, die gern lustige Geschichten aus dem Alltag zwischen Stilleinlage und Toniebox lesen. Ohne erhobenen Zeigefinger und immer gut gelaunt will dieses Buch dem Druck, der vor allem auf Müttern lastet, eine deutliche Message entgegensetzen: Cool Moms don’t judge!“
7. Mutter werden, Mutter sein, herausgegeben von Barbara Rieger
„Muttersein: Die ärgste und schönste Sache der Welt! Mutterschaft ist ein Thema, dem bisher (vor allem von der Literaturkritik) wenig Achtung und Beachtung geschenkt wurde. Doch seit einiger Zeit melden sich Autorinnen vermehrt zu Wort und rücken das Thema zu Recht in den Fokus, schließlich ist es das grundlegendste und kontroverseste Thema unserer Zeit.
8. Die Uhr, die nicht tickt von Sarah Diehl
„Unverrückbar steht die Front zwischen Müttern und Nicht-Müttern: ‚Man muss wahnsinnig sein, heute noch Kinder zu kriegen‘, hieß es im Januar 2014 in der FAS. Kurz darauf kam die Antwort: ‚Ruhe, ihr Jammerfrauen! Eure Ausreden zum Kinderkriegen sind narzisstisch und absurd.‘ Dabei kann eine Frau heute frei zwischen verschiedenen Lebensmodellen wählen. Dennoch dominiert in unserer Gesellschaft noch immer die Vorstellung, dass potentiell alle Frauen den Kinderwunsch in sich tragen. Kein Kind zu wollen, gilt als unnatürlich, egoistisch oder feige. Sarah Diehl, Mitte 30 und selbst kinderlos, hat Frauen interviewt, die freiwillig keine Mütter sind. Sie hat erfahren, dass die Gründe vielfältig sind, Egoismus oder Narzissmus gehören nicht dazu. Ihr Buch ist das überfällige Plädoyer für eine vorurteilsfreie und zeitgemäße Einstellung zu Mutterschaft und weiblicher Identität.“
9. Ungebunden von Malin Lindroth
„Für alle, die ihr Single-Leben nicht mehr vor anderen rechtfertigen wollen!
Nur einmal mit Anfang 20, da lebt Malin Lindroth ein Leben, das „normal“ ist: Freund, gemeinsame Wohnung, man teilt sich eine Besteckschublade. Nach vier Jahren beendet Malin die Beziehung. Der nächste Mann wird schon kommen, denkt sie. Jetzt, 30 Jahre später, stellt sie sich die Frage, was seitdem eigentlich „schief“ gelaufen ist. Denn sie blieb allein. Unterhaltsam und lustig, aber auch ernst und schmerzvoll führt Lindroth durch ihr nicht vorhandenes Beziehungsleben. Das ist zwar manchmal schwer auszuhalten, viel schlimmer ist allerdings, dass sie sich ständig für diesen Umstand rechtfertigen muss: ihre Persönlichkeit, ihre Sexualität, ihre Einstellung – all das wird hinterfragt. Dieses Buch ist Lindroths Befreiungsschlag!“
Habt ihr vielleicht weitere Empfehlungen in petto?